Paulus, A.: Neumayer als Förderer der Schiffahrt,
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zowie aller deutschen Konsuln in fremden Seehäfen — sie alle stellten der
Deutschen Seewarte reichliches handschriftliches Material über Seehäfen und ihre
Ansteuerung in Form von Fragebogen und Berichten zur Verfügung — in be-
Friedigender Weise gelöst werden. Als mit der Zeit sich das von diesen Mit-
arbeitern eingesandte Material immer mehr ansammelte, es aber seiner vielseitigen
Herkunft wegen nicht sofort für die in Arbeit befindlichen Küstenhandbücher
verwendet werden konnte, entschloß sich Neumayer, um dieses für die Schiffahrt
so wertvolle Material nicht veralten zu lassen, es sofort nach Eingang ander-
weitig zu veröffentlichen, Auch hierfür wurden zunächst wieder die „Annalen
der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ herangezogen. Es stellte sich
aber bald heraus, daß diese Zeitschrift aus redaktionellen Gründen nur in der
Lage war, einen Teil der einlaufenden Berichte herauszubringen. Neumayer
glaubte daher, den berechtigten Wünschen auf schnelle Bekanntgabe aller wert-
vollen Berichte am besten gerecht zu werden durch die Herausgabe eines be-
sonderen, nur diesen und ähnlichen Beiträgen zur Küstenkunde gewidmeten
Werkes. So erschien im April 1902 „Der Pilote“ ein Werk, das in zwang-
ljosen Heften, etwa monatlich ein Heft, diese Beiträge allen Interessenten zu-
gänglich machte,
Mit dieser neuen Veröffentlichung glaubte Neumayer ganz besonders die
Interessen der modernen Dampferfahrt zu fördern, da die Steigerung des Dampfer-
verkehrs und die mannigfachen Dampferreisen es bedingten, daß gerade Dampfer
in die Lage kamen, viele und oft erst in der Entwicklung begriffene Häfen an-
zulaufen, und daher mehr als Segelschiffe auf zuverlässige Berichte über diese
Häfen angewiesen waren. .
Hatte Neumayer schon durch die Herausgabe der Nordatlantischen Wasser-
ausschaukarte, beziehungsweise der Monatskarte für den Nordatlantischen Ozean,
ein wertvolles Hilfsmittel besonders für Dampfer geschaffen, so zeigte er durch
die Veröffentlichung des „Piloten“ von neuem, daß er auch bestrebt war, die
Dampferfahrt bestmöglich zu fördern, und zwar in dem Sinne, wie dies von ihm
schon im 23. Jahresberichte über die Tätigkeit der Deutschen Seewarte für das
Jahr 1900 mit folgenden Worten ausdrücklich betont wurde:
„Den nach veränderten Verhältnissen des Seeverkehrs entwickelten Forde-
rungen auf den scheinbar widerstreitenden Gebieten konnte, wie wir anzunehmen
geneigt sind, in befriedigender Weise entsprochen werden. Daß aber dies nicht
geschehen konnte ohne ein teilweises Preisgeben alter und durch die Erfahrung
liebzewordener Grundsätze, liegt auf der Hand. Es konnte den Eingeweihten
nicht entgehen, daß sich allmählich in den Einrichtungen der Deutschen Seewarte
ein Wandel vollzog, der den Bedürfnissen und dem Geiste der Zeit entsprach.
Die Beurteilung der Art der Vollziehung dieses Wandels nach dem wahren Werte
und nach dem Umfange wird einer späteren Zeit vorbehalten bleiben müssen.
Soviel steht aber heute schon fest, daß es unmöglich geworden war, den Stand-
punkt festzuhalten, von dem aus vor 25 Jahren die Deutsche Seewarte als Zentral-
stelle für maritim-meteorologische Forschung gegründet wurde. Namentlich
erschien es als eine unabweisbare Notwendigkeit, den Anforderungen
des Dampferverkehrs voll und ganz Rechnung zu tragen. Aus dieser
Überzeugung heraus entwickelte sich der Charakter der Veröffentlichungen der
Seewarte in letzter Zeit, und es wird nur einer Beurteilung der Leistungen des
Instituts von diesem Standpunkte aus möglich werden, vollkommen gerecht
zu sein.“
Wenn man von Neumayer als Förderer der Schiffahrt spricht, so kann
man nicht umhin, neben seinen Arbeiten auf maritim-meteorologischem und
nautischem Gebiete auch die Verdienste hervorzuheben, die er durch seine erd-
magnetischen Forschungen für die Schiffahrt geleistet hat,
Als Student der Technischen Hochschule in München hörte Neumayer an
der dortigen Universität mehrere Vorlesungen, von denen ihn namentlich die
des Astronomen und Erdmagnetikers Lamont besonders fesselten. Er fand auch
bald Gelegenheit, sich unter Leitung dieses Gelehrten eingehend mit der Gaußschen
Theorie des Erdmagnetismus zu beschäftigen und magnetische Beobachtungen