29 Zum 100. Geburtstage des Gründers der Deutschen Seewarte, Georg von Neumayer,
Meteorologie“ ein kurzer Reisebericht veröffentlicht, wobei auf die auf der ein-
geschlagenen Route angetroffenen Wind- und Stromverhältnisse sowie auf sonstige
für den Seefahrer wichtige Umstände aufmerksam gemacht wurde, Diese Berichte
waren insofern von großem Nutzen, als sie den Kapitänen Gelegenheit boten,
ihre Reisen mit denen anderer Schiffe, die denselben Weg gemacht hatten, zu
vergleichen und daraus die Nutzanwendung für spätere Reisen zu ziehen. Die
Berichte fanden bei allen Kapitänen großen Beifall, da sie in sachlicher Weise
geschrieben waren und auf keine kritische Besprechung der einzelnen Reisen
eingingen.
Nachdem eine große Anzahl solcher Berichte erschienen war, beschloß Neu-
mayer, diese Berichte der Allgemeinheit leichter zugänglich zu machen und sie
alljährlich in einem Sammelband herauszugeben; es entstand so im Jahre 1881
„Der Pilote, ein Führer für Segelschiffe“,
Hatte man bei der Veröffentlichung der früheren Reiseberichte von einer
Kritik über den gewählten Weg Abstand genommen, so glaubte Neumayer, bei
den Veröffentlichungen in dem neuen Sammelband verpflichtet zu sein, auf
atwaige Nachteile des gewählten Weges hinweisen lassen zu müssen, um für
spätere Fälle vorzubeugen. Dies erschien um so notwendiger, als bei der raschen
Zunahme der Dampfer die Segler im Weltverkehr zur See zurückgedrängt zu
werden drohten, wenn sie nicht durch Abkürzung der Reisedauer ein Gegen-
gewicht schaffen würden, Neumayer fühlte daher in erhöhtem Maße sich dazu
berufen, der Segelschiffahrt durch Segelanweisungen zu Hilfe zu kommen. Er
glaubte dies dadurch zu erreichen, daß er jetzt bei den zur Veröffentlichung
gelangenden Reiseberichten auf die Vor- und Nachteile der gewählten Route
hinweisen ließ und somit den Schiffsführern Gelegenheit bot, für ihre Reise den
günstigsten Weg herauszuschälen und dadurch die Reisedauer bedeutend ab-
zukürzen. Auf diese Weise sollte der Pilote im Laufe der Zeit nicht nur ein
Führer für Segelschiffe über die ganze Erde werden, sondern auch den Schiffs-
führern Einblick gewähren, wie die nautisch-meteorologischen Erscheinungen auf
Seo praktisch ausgewertet werden können.
Der nimmer rastenden Tätigkeit Neumayers, mit allen zu Gebote stehenden
Mitteln für die Förderung der Schiffahrt einzutreten, die ja durch ihre Mit-
arbeiter so große Dienste für die Entwicklung der meteorologischen Wissenschaft
geleistet hatte, verdanken auch die großen Segelhandbücher und Atlanten für
die verschiedenen Weltmeere ihr Entstehen. Die Werke sollten, ebenso wie „Der
Pilote“, hauptsächlich der Segelschiffahrt zunutze kommen. So sind im ersten
Teil der Segelhandbücher die allgemeinen physikalischen und meteorologischen
Verhältnisse der einzelnen Ozeane behandelt, wobei besonders große Sorgfalt auf
die Bearbeitung der Stürme und ihre Begleiterscheinungen verwandt wurde, um
es so dem Schiffsführer zu ermöglichen, auch für ihn ungünstige Witterungs-
verhältnisse zur Förderung seiner Reise bestens ausnutzen zu können. Außerdem
behandelt der I. Teil aber auch Ebbe- und Fluterscheinungen, Anwendung der
Lehre vom Magnetismus in der Navigation, Gebrauch und Behandlung der Schiffs-
chronometer auf See, alles Angaben, die auch für die Dampferfahrt fast unent-
behrlich sind. Im IL Teil der Segelhandbücher sind, als Nutzanwendung des
I. Teils, Segelanweisungen für die einzelnen Reisen gegeben. Die den Segel-
handbüchern beigegebenen Atlanten veranschaulichen die physikalischen Ver-
hältnisse und Verkehrsstraßen der einzelnen Meere, und es bilden somit Segel-
handbuch und Atlas ein unzertrennliches Ganzes, da das eine Werk das andere
ergänzt.
E Gleich nach Einrichtung des Instituts wurde das Segelhandbuch für den
Atlantischen Ozean in Arbeit genommen, dessen Herausgabe sich aber aus
verschiedenen Gründen verzögerte, so daß es erst im November 1884 der
Öffentlichkeit übergeben werden konnte; der Atlas hierzu war schon 1882 er-
schienen. Später folgten dann die Segelhandbücher und Atlanten für den
Indischen und Stillen Ozean, Von welch großem Wert diese Werke für die
Schiffahrt waren, geht daraus hervor, daß die früher wegen Mangel an deutscher
Literatur von den Schiffsführern mit Vorliebe angeforderten Segelanweisungen