Paulus, A.: Neumayer als Förderer der Schiffahrt,
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Damit endlich wurde Neumayer die Genugtuung, daß der von ihm schon in
Australien gefaßte Gedanke, ein dem Flagstaff-Observatorium in Melbourne ähn-
liches Institut auch in Deutschland zu errichten, nicht zum mindesten auf sein
Betreiben zur Wirklichkeit geworden war.
Als Neumayer die Leitung des Instituts übernahm, trat sogleich sein vor-
zügliches Organisationstalent zutage, In der Erkenntnis, daß neben wissen-
schaftlichen Kräften auch solche mit seemännischer Erfahrung herangezogen
werden müßten, wenn wirklich Ersprießliches für die Schiffahrt geleistet werden
sollte, war er gleich von vornherein darauf bedacht, tüchtige Nautiker für das
Institut zu gewinnen. So wurde zum Vorstand der Abteilung I, die sich mit der
maritimen Meteorologie beschäftigte, der namentlich mit den Verhältnissen in
Ostindien und China vertraute Kapt. W. Wagner berufen, und nach dessen
Tode der überaus tüchtige Kapt. L. E. Dinklage, der zwölf Jahre als Schiffs-
führer und vier Jahre als Navigationslehrer tätig gewesen war, eingestellt,
Um nun würdigen zu können, was Neumayer während seiner 27jährigen
Tätigkeit als Direktor der Deutschen Seewarte auf dem Gebiet der Moeres-
forschung zum Nutzen der Schiffahrt geleistet hat, kann man nicht umhin, etwas
näher auf die Arbeiten einzugehen, die während seiner Zeit auf der Deutschen
Seewarte geschaffen worden sind. Es würde natürlich zu weit führen, jede
einzelne Arbeit eingehend zu schildern; es können nur die hauptsächlichsten
Arbeiten in rohem Umriß behandelt werden,
Wenn es Neumayer auch nur mit Hilfe tüchtiger Mitarbeiter möglich war,
Werke, wie sie weiter unten angegeben sind, herauszubringen, so gebührt ihm
aber immerhin das Verdienst, daß sie alle auf seine Initiative entstanden und
unter seiner Leitung ausgeführt worden sind, Zur Förderung aller dieser
Arbeiten hat nicht zum wenigsten auch seine Person selbst beigetragen, da er
durch sein liebenswürdiges Wesen seine Mitarbeiter immer wieder zu neuer
Arbeitsfreudigkeit anzuspornen wußte. Es ist wohl noch manchem Beamten im
Bewußtsein, wie Neumayer bei seinen häufigen Rundgängen durch die Abtei-
lungen sich durch die Worte „geht’s voran“ eingehend über den Fortgang der
Arbeiten jedes einzelnen Beamten erkundigte,
Die Arbeiten auf maritim-meteorologischem Gebiet wurden zunächst mit
Hilfe der von der Norddeutschen Seewarte übernommenen 680 meteorologischen
Tagebücher und der 33 Journale und Journalauszüge, die Neumayer seinerzeit
in Melbourne gesammelt hatte, begonnen. Um nun für die weitere Arbeit das
erforderliche Beobachtungsmaterial von See zu bekommen, bedurfte es dringend
einer genügend großen Anzahl Mitarbeiter. Es wurde daher eifrigst darauf
hingearbeitet, möglichst zahlreiche, aber auch möglichst tüchtige Kräfte, besonders
auch solche zu gewinnen, die schon für die Norddeutsche Seewarte tätig gewesen
waren. Durch persönliche Fühlungnahme der Beamten des Instituts mit den in
Frage kommenden Schiffsführern gelang es auch bald, eine Reihe tüchtiger frei-
williger Mitarbeiter zu gewinnen, die, ausgerüstet mit guten, teils von der
Deutschen Seewarte leihweise überlassenen, teils mit eigenen, von der Deutschen
Seewarte geprüften meteorologischen Instrumenten, eine Fülle wertvollen Materials
Keferten,
Als Vorlage für die auf Seo einzutragenden Beobachtungen wurden den
Schiffen sogenannte meteorologische Tagebücher mitgegeben, die von der
Deutschen Seewarte eigens für diese Zwecke nach den in der maritimen Konferenz
in London gefaßten Beschlüssen zusammengestellt waren, Schon in den ersten
vier Jahren seit Gründung der Deutschen Seewarte wurden von Handelsschiffen
463 Tagebücher eingeliefert. Diese Zahl steigerte sich aber bald erheblich, und
as lieferten im Jahre 1885 440 Mitarbeiter bereits 462 vollständige Tagebücher
und 286 Auszugsjournale, im Jahre 1902, also dem letzten Jahre, wo Neumayer
als Direktor der deutschen Seewarte tätig war, 462 Mitarbeiter 575 vollständige
Tagebücher und 288 Auszugsjournale ein,
Die eingegangenen Tagebücher wurden nach verschiedenen Gesichtspunkten
für die praktische Schiffahrt verwertet. In der ersten Zeit wurde zunächst in
den schon früher erwähnten „Annalen der Hydrographie und ınaritimen