20 Zum 100, Geburtstage des Gründers der Deutschen Secwarte, Georg von Neumayer,
Aus dieser Versammlung heraus kam dann auch der Vorschlag, daß das im
Sinne von Neumayer zu begründende Institut den Namen „Deutsche See-
warte* führen möge.
Neumayers Werben war aber zunächst noch nicht von Erfolg gekrönt.
Ganz abgesehen davon, daß nicht allenthalben die Notwendigkeit oder auch nur
die Nützlichkeit eines solchen Instituts sogleich anerkannt wurde, brachte schon
die erste und wichtigste Frage, die Finanzierung des Institutes, kaum zu über-
windende Schwierigkeiten, da man nicht daran denken konnte, daß ein Seestaat
allein sämtliche Unkosten zur Einrichtung und Unterhaltung tragen würde. Die
Schwierigkeiten waren um so erheblicher, als auch in anderen Seestaaten
ähnliche Institute wie die zu begründend6 Seewarte noch nicht vorhanden waren,
die man als Vorbild hätte heranziehen und deren Nützlichkeit man hätte er-
weisen können. Wohl spornten die sowohl auf praktischem als auch auf theo-
retischem Gebiet wertvollen Arbeiten über maritime Meteorologie von Maury,
Washington, Buys-Ballot, Utrecht, und Fitzroy, London, zur Nachfolge an,
aber keines dieser Institute konnte zum Vergleich herangezogen werden, da die
deutsche Seewarte sich außer mit maritimer Meteorologie auch mit der Prüfung
von nautischen Instrumenten befassen sollte. Selbst die im Jahre 1868 in Ham-
burg durch von Freeden eingerichtete „Norddeutsche Seewarte“ konnte daran
noch nichts ändern, da sich dieses Institut infolge mangelnder Geldmittel auch
nur mit maritimer Meteorologie beschäftigen konnte. Außerdem kam noch hinzu,
daß die derzeitige politische Lage dem Plan hindernd entgegenstand. Neumayer
ließ sich aber durch alle diese Schwierigkeiten nicht entmutigen, sondern hielt
mit der ihm eigenen Zähigkeit an seinem Eintschluß fest, die Gründung eines
meteorologischen Instituts, wenn auch auf Umwegen, zu erreichen.
Seine rastlose Tätigkeit brachte ihm zunächst den Erfolg, daß er auf Grund
eines Vortrages über den Magnetismus auf eisernen Schiffen im Jahre 1872
durch Admiral von Stosch als Mitglied in das neugegründete Hydrographische
Bureau der Admiralität berufen, und schon Ende desselben Jahres zum „Hydro-
graphen in der Admiralität“ ernannt worden ist. Jetzt war ihm Gelegenheit
geboten, an einflußreicher Stelle seine großen Kenntnisse zur Hebung der deutschen
Schiffahrt nutzbringend zu verwerten. Er gründete denn auch schon 1873 unter
dem Namen „Hydrographische Mitteilungen“ -— später „Annalen der
Hydrographie und maritimen Meteorologie“ — eine Zeitschrift, die sich
mit allen auf das Gebiet des Seewesens bezüglichen Fragen befaßte,
Inzwischen trat im September 1874, nachdem schon im September 1873 auf
dem Meteorologen-Kongreß in Wien auf die Notwendigkeit einer Konferenz hin-
gowiesen worden war, die zu der Hebung der maritim-meteorologischen Arbeiten
Stellung nehmen sollte, in London eine derartige Konferenz zusammen. Auch
Deutschland war durch den Hydrographen der Admiralität Dr. Neumayer und
durch den Vorsteher der physikalischen Sektion des Hydrographischen Bureaus
Kaptlt, Stempel vertreten; der Leiter der Norddeutschen Seewarte, Herr von
Freeden, war ebenfalls erschienen. Auf dieser Konferenz wurde zum Ausdruck
gebracht, daß in allen Staaten, in denen es die Interessen erheischten und Zentral-
stellen für die Pflege der maritimen Meteorologie noch nicht beständen, der-
artige Institute errichtet werden sollten,
Bereits im Herbst 1873 und unmittelbar nach dem Wiener Kongresse hatten
die daran beteiligten deutschen Delegierten beschlossen, beim Reichskanzleramt
durch eine Eingabe darauf hinzuwirken, daß in Verbindung mit der Organisation
der Witterungsforschung an der deutschen Küste auch eine Zentralstelle für die
maritime Meteorologie errichtet würde. Daraufhin und infolge der schon er-
wähnten Konferenzbeschlüsse wurde im Januar 1875 in Hamburg die „Deutsche
Seowarte“ gegründet, nachdem vorher durch Verhandlungen der Admiralität
mit dem Leiter der Norddeutschen Seewarte, Herrn von Freeden, die Be-
ziehungen zu diesem Institut geregelt worden waren. Neumayer war zum
Leiter der Deutschen Seewarte ausersehen, konnte aber erst im Januar 1876
zum Direktor des Instituts ernannt werden, da noch umfangreiche, von ihm als
Hydrograph der Admiralität begonnene Arbeiten vorher vollendet werden mußten.