Heidke, P.: Neumayer als Deutscher und Gelehrter,
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haft geworden, ob er seinen ursprünglichen Plan, selbst die Leitung der See-
warte zu übernehmen, aufrecht erhalten solle, oder ob er in seiner einflußreichen
Stellung als Hydrograph der Admiralität seinem Vaterlande besser nutzen könne,
Wenigstens lassen auf diese Zweifel die von Neumayer im Einverständnis mit
von Stosch geführten Unterhandlungen mit mehreren Gelehrten schließen, die
aber zu keinem Ergebnis führten. Provisorisch wurde daher Neumayer 1875
unter Belassung in seiner bisherigen Stellung mit der Wahrnehmung der
Geschäfte des Direktors der Seewarte beauftragt, Nur vorübergehend konnte
er allerdings zunächst nach Hamburg kommen, um mit den Vorständen der
Abteilungen deren Ausbau zu besprechen, Bis zum Mai 1875 waren einge-
richtet: Abteilung I (Maritime Meteorologie, Vorstand Kapitän R. Wagner);
Abteilung II (Beschaffung und Prüfung der nautischen, meteorologischen und
magnetischen Instrumente und Apparate. Anwendung der Lehre vom Magne-
tismus in der Navigation, Modell- und Instrumentensammlung, Vorstand Kapitän
K, Koldewey); Abteilung III (Pflege der Witterungskunde, der Küsten-Meteoro-
logie und des Sturmwarnungswesens. Vorstand Dr. W. Köppen). Anfang 1876
trat dann noch hinzu Abteilung IV (Chronometer-Prüfungs-Institut, Vorstand
Direktor der Hamburger Sternwarte G. Rümker).
Am 13, Januar 1876 wurde Neumayer zum Direktor der Seewarte und
zum Wirklichen Admiralitätsrat ernannt; doch erst im März dieses Jahres
konnte er nach Abschluß seiner Amtsgeschäfte in der Admiralität endgültig nach
Hamburg übersiedeln, um bis zu seiner 1903 erfolgten Pensionierung diese seine
größte Schöpfung zu leiten, Während der ersten Jahre seiner Tätigkeit nahmen
ihn stark die Entwürfe zur Erbauung des neuen Dienstgebäudes der Seewarte
auf dem Stintfang in Anspruch, da die bescheidenen ursprünglich im Seemanns-
haus vorgesehenen Räume sich bald als unzureichend erwiesen. Ein Ehrentag
war es für Neumayer, als im September 1881 in Gegenwart Kaiser Wilhelm I.
die Einweihung des neuen, weithin und namentlich vom Hafen aus sichtbaren
Dienstgebäudes auf der Höhe des Stintfanges erfolgte, Gleichzeitig wurde
Neumayer zum Geheimen Admiralitätsrat mit dem Rang der Räte 2. Klasse
ernannt.
Aufs engste ist der Name Neumayers mit der Entwicklung und der Geschichte
der Deutschen Seewarte verknüpft. Seine weit verzweigten Beziehungen, die
Auswertung seiner persönlichen Bekanntschaften haben in erster Reihe der Deut-
schen Seewarte ihre Stellung und das Ansehen verschafft, das sie noch heute
im In- und Ausland genießt. Festgelegt sind ihre Aufgaben im $ 1 des See-
wartengesetzes vom 9. Januar 1875, dahin lautend: Unter dem Namen „Deutsche
Seewarte“ wird eine Anstalt errichtet, welche die Aufgabe hat, die Kenntnis der
Naturverhältnisse des Meeres, soweit diese für die Schiffahrt von Interesse sind,
sowie die Kenntnis der Witterungserscheinungen an den deutschen Küsten zu
fördern und zur Sicherung und Erleichterung des Schiffahrtverkehrs zu ver-
werten.
Bis heute, also während eines halben Jahrhunderts, ist dieses Gesetz unver-
ändert geblieben, ein Beweis für die Voraussicht, mit welcher sein Entwurf, an
dem Neumayer zweifellos beteiligt war, bearbeitet ist. Erst die Entwicklung
der Luftschiffahrt und des Flugwesens macht jetzt eine entsprechende Ergänzung
erforderlich,
Nur 283 Köpfe umfaßte das Personal der Zentralstelle zu Hamburg am
Schluß des Jahres 1878; hingegen 60 Beamte und Hilfskräfte, als Neumayer es
1903 verließ.
Unmöglich ist es, hier im einzelnen auf die persönliche Mitwirkung Neumayers
bei der Fortführung und Inangriffnahme aller der Aufgaben einzugehen, welche
der Seewarte während seiner Leitung zugefallen sind, Gedacht ist ihrer auch
in der Ansprache von 8. Günther!) gelegentlich der Feier des 80, Geburtstages
3 8. Günther, „Georg von Neumayer“, Festschrift der Pollichia, eines naturwissenschaft.
lichen. Vereins der Rheinpfalz, Bad Dürkheim, Buchdruckerei J. Rheinberger, In dieser Schrift
sind besonders Neumayers Verdienste um die Förderung der Naturwissenschaften gewürdigt,