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Zweites Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1936,
Aus den Kreisen der See- und Übersee-Mitarheiter der Deutschen Seewarte,
„Auf scharfer Beobachtung beruhende Schilderungen
behalten als lebensvolle Ergänzungen der regelmäßigen
Aufzeichnungen ihren hohen Wert“ Köppen”),
Unwetter-Katastrophe in West-Usambara
ehemal. Deutsch-Ostafrika am 3. und 4. Mai 1936).
Voo H. D. y. Bernnth, Kilindi/Soni.
Das übliche Bild der großen Regenzeit: wolkenverhangene Berge, pausen-
joser Landregen, Nebel und rieselnde Bäche überall — dieses Bild bietet auch
der Sonntagmorgen am 3. Mai 1936. In der Nacht sind 19.1 mm Regen gefallen,
bis 19h kommen noch 9.9 mm hinzu. Von 19% etwa fällt der Regen immer stärker
und stärker und hält die Nacht über an.
Am frühen Morgen des 4. Mai bietet sich von meinem Fenster, das sich in
ein großes Tal öffnet, ein Anblick, der die letzten Reste von Müdigkeit mit einem
Male verscheucht: war doch der Bach ausgeufert und der Hauptteil meines
Gartens überschwemmt. Mit allen zu so früher Stunde schon verfügbaren Leuten,
d.h. vor allem mit den Hausangestellten, gehe ich hinunter, um zu retten, was
zu retten ist. Meine Frau mißt den Regen und sagt mir noch, daß in der Nacht
seit 19% des Vortages 53.5 mm gefallen seien! Bis !/„,10h etwa arbeite ich mit
den Leuten daran, den meine Felder überflutenden Wasserstrom abzudämmen
oder doch wenigstens einzuschränken, was der gemeinsamen Arbeit auch ganz
gut glückt, Ich lasse die Leute noch schnell einen kleinen Graben in dem oberen
Teil der Felder ziehen — sogar die Sonne hat uns noch etwas geschienen —,
da fängt es wieder an zu gießen, doch denke ich: „Schlimmer kann’s ja nicht
mehr werden.“ Bis auf die Haut sind meine Leute und ich überdies naß — also
kommt es nicht mehr darauf an. Der kleine Graben wird noch zu Ende gebaut,
und dann schicke ich die Leute zum Bohnenausdreschen, während ich mich selbst
erst einmal zum Umziehen begebe,
Der Regen wird aber immer stärker, und in Sorge um meine Morgenarbeit
und meine Felder mir immer wieder während des Umziehens meinen Grund an-
sehend, gewahre ich, wie plötzlich eine hohe Flutwelle in dem Bach angerollt
kommt, gegen die es irgendwelchen Widerstand nicht gibt,
Binnen zehn Minuten steigt der Wasserstand um etwa 2'/, ın. Als erstes
wird ein Kartoffelfeld auf dem Rücken der Welle fortgetragen, um sich dann
mit Karotten, Erdbeeren, nochmals Karotten, Pastinaken, Biumenkohl, Schwarz-
wurzeln usw. zusammen auf den Weg talabwärts zur Küste zu machen. Da-
zwischen schwimmen Bäume, Äste usw., große Steine und Erdbrocken rollen in
der Flut mit — kurz, es sieht wüst aus! Und es gießt — ohne Unterlaß! Bis
etwa um 11h; dann geht der Regen in leichten Nieselregen über, um bald zeit-
weilig aufzuhören und auch bis zum Abend nicht mehr zuzunehmen. Die Abend-
Regenmessung ergibt 66.0 mm, von denen jedoch mindestens 60 mm in der Zeit
von */,10® bis 11h gefallen sind,
Durch mein Tal wälzt sich ein etwa 40 m breiter und 40 cm tiefer Strom,
der noch verstärkt wird durch den Zufluß eines sonst winzigen Bächleins, das
nach diesem Regen allein schon zu einer Überschwemmung genügt hätte, Auf
Umwegen nur kann ich in meinen Garten gelangen, da die einzige Brücke weg-
gerissen ist. Erst nach drei Tagen war das Wasser wieder so weit gefallen, daß
man darangehen konnte, die Schäden etwas auszubessern,
Und kaum habe ich mich mit den großen Verlusten vertraut gemacht, da
kommen die Hiobsbotschaften aus der Umgegend Schlag auf Schlag, aus denen
*) Ann, d, Cr 1895, 8. 451,
4) Diese Schilderung eines Überseemitarbeiters der Deutschen Seewarte ist durch Vermittlung
des Leiters der Seewartengruppe für Koloniale und Überseeische Meteorologie und Klımatologie der
Schriftwaltung zugeleitet worden, GG, Ca.