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Zweites Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1936.
— Marseille, — Die Zwischenreisen im Stillen Ozean zwischen Nordamerika, Ost-
asien und Australien, die den größeren Hamburger und Bremer Segelschiffen im
ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts noch Beschäftigung boten, sind den Reede-
veien der kleinen Weserhäfen kaum noch zugute gekommen, — Als „Orderhäfen“,
wie sie vielfach von den Segelschiffen angelaufen wurden, um den endgültigen
Entlöschungshafen zu erfahren, dienen bei der Heimkehr in den letzten Jahren
nicht mehr die Kanalhäfen, sondern — auch dies ist wohl bezeichnend für die
Zurückdrängung des Seglers — weit vorgeschoben, die Azoren und Barbados
(Westindien).
Betrachtet man endlich die Karten noch einmal im Gedanken an das darauf
dargestellte Einzelleben, so lassen sie erkennen, welche umfassende eigene An-
schauung von der Erde und insbesondere von den Meeren sich ein Seemann aus
der Seglerzeit erwarb, welche Summe „erlebter“ Wetter- und Meereskunde, über-
haupt allgemeiner Naturkunde sich im Laufe eines solchen Lebens anhäufen
konntel), Man vergegenwärtige sich demgegenüber die Laufbahn eines Schiffs-
offiziers, der heutzutage bereits in jungen Jahren etwa in den Dienst der
Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft getreten ist und sich
im „Pendelverkehr“ zwischen Elbe und La Plata betätigt. Damit soll natürlich
keinerlei allgemeines Werturteil angedeutet werden; der jetzige Schnellverkehr
zur See stellt gewiß nicht minder hohe Anforderungen an Nervenkraft und
Verantwortungsfreudigkeit, — und die Mitarbeit der gegenwärtigen Seemanns-
generation ist für die Deutsche Seewarte nicht weniger wertvoll, zumal sie sich
nicht mehr wie einst auf Beobachtungen in der Meeresoberfläche und dicht
darüber beschränkt, sondern auch durch Pilotvisierungen die Höhenwinde erfaßt,
Diesen Rückblick auf einen heute völlig abgeschlossenen Abschnitt in der
Geschichte des Seeverkehrs, mit dessen Trägern Wladimir Köppen über ein
Menschenalter lang im Nehmen und Geben zusammengearbeitet hat, schließen
wir am besten mit seinen eigenen Worten, die wenige Jahre vor seinem Aus-
scheiden aus dem Amt niedergeschrieben worden sind, „daß er sich vor vier
Jahrzehnten durch die Berufung an die Seewarte in eine für ihn neue Welt ver-
setzt sah. Ihm, der in Gelehrtenkreisen aufgewachsen war, brachte der freund-
schaftliche Umgang auf gleichem Fuße mit erfahrenen Segelschiffsführern ...
eine große Erweiterung seines Gesichtskreises“.
ı) Vor einem halben Jahrhundert brachten z. B. Reisen in die Südsee noch in unmittelbare
Berührung mıt den Naturvölkern, Auf der zweiten Kapitänsreise im Jahre 1891 wurde in Bismarck-
archipel die Kopraladung mit Hilfe einwandfreier Kannibalen übergenommen, und mit etwas gemischten
Gefühlen dachte der Erzähler, dem jede phantasievolle Ausschmückung seiner Erinnerungen fern lag,
au die Begrüßungstrunkzeremonien zurück, die mit einem Besuch beim letzten „König“ von Samoa
verbunden waren,