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Full text: 62, 1934

494 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Dezember 1934, 
mit Palmenwedeln gedeckt sind, liegt die Kordillere hinter uns, und nur hügeliges 
Gebiet ist zu kreuzen, um in etwa 50 km LuCtılinie Puyo zu erreichen, Hier be- 
ginnt die Schitfbarkeit für Boote, d. h. die wirkliche Ebene der Hylea in etwa 
900 bis 1000 m Höhe. Ein Versuch, an einem herrlichen wolkeniosen Morgen, der 
vor Sonnenaufgang fast erfrischend wirkte, nach Puyo zu gelangen, mußte auf- 
gegeben werden, da ich bei dem Mangel an Reitochsen, die sonst den Verkehr 
vermitteln, das zählehmige Sumpfgebiet zu Fuß nicht durchqueren konnte. Und 
dies in der Trockenzeit! Die Bewohner von Mera gaben an, daß Niederschlag 
im oberen Pastazatal viel häufiger und reichlicher falle als in Mera oder Puyo, 
Dabei wurden hier 4000 mm Regen als Jahressumme gemessen, Da Zuckerrohr 
ausgezeichnet im regenreichen Litoral gedeiht, bei Mera aber nur vereinzelt an- 
gebaut wird, ist vielleicht die Annahme berechtigt, daß jedenfalls in der Trocken- 
zeit in bezug auf Sonnenscheindauer, Stärke der Bewölkung oder Regenhäufig- 
keit ein nicht unerheblicher Unterschied zwischen diesen sonst als klimatisch ähn- 
lich bewerteten Gebieten besteht. Nur Knollenfrüchte, wie Maniok, Süßkartoffeln, 
Taro u. a. neben Bananen werden am Ostfuß der Ostanden kultiviert. Mais ist in 
Mera wohl wegen übergroßer Feuchtigkeit kaum anbaufähig. Mehl muß als seltene 
Last auf dem langen und oft gefährlichen Saumpfad von Ambato in der Sierra 
nach dem „Oriente“ gebracht werden. Andererseits zeitigt das eigenartige — ich 
möchte sagen — „dunkle“ Feuchtklima dieses Urwaldgebietes und eine schwan- 
kungslose atmosphärische Umwelt die sowohl wildwachsende als auch angebaute 
Naranjilla (Solanum?) mit ihrem saftstrotzenden, kühlenden, geschmacklich an 
säuerliche Fruchtbonbons erinnernden Fleische, eine wahre Erfrischung auf an- 
strengendem Marsche oder Ritte, Diese Frucht wird in größeren Mengen bis nach 
Quito und selbst nach Guayaquil gebracht, 
Ein kurzes Erlebnis möchte ich sehildern; In Mera wohnte seit einem Jahr- 
zehnt unter den ärmlichsten Verhältnissen ein blondbärtiger Riese. Er hatte einst 
seine schwäbische Heimat verlassen, weil sie ihm zu „kalt“ war, Über Florida und 
Mittelamerika hatte der Wanderer hier in der Einsamkeit seine Heimat gefunden, 
Die Angst vor Erkältung verließ ihn jedoch auch hier unter dem Äquator nicht, 
Selten fand ich einen Mitmenschen, der so vor jedem Luftzuge zurückschreckte wie 
Karl N. Und er erkältete sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit und suchte dann 
etwa halbjährlich auf langer Fußreise in Ambato den Arzt auf, der ihn, den 
Naturmenschen, von Husten und Schnupfen befreien sollte, Ich teile dieses kleine 
Erlebnis nur mit, um zu zeigen, wie subjektiv nicht nur Eindrücke, sondern auch 
Einflüsse des Klimas auf den Menschen gewertet werden müssen, wenn man über- 
haupt eine Erkältung als wesentlich klimatische Folge betrachten will. Trotzdem 
wird mit entsprechender Kritik und Einschränkung die persönliche Klimaerfah- 
rung neben den klimatischen Werten auch für praktische Fragen von unerläß- 
lichem Werte sein, wenn der Beobachter hinsichtlich Einwirkungen der Umwelt 
geschult ist, So erwog z. B. die Regierung Ekuadors eine Kolonisation durch Nord- 
und Mitteleuropäer gerade im Gebiete von Mera, da das ungesunde Litoral mit 
geiner vorwiegend mulattischen Bevölkerung für eine Einwanderung nicht in 
Frage kommt, und die Sierra praktisch dem Indianer gehört, Auch das viel er- 
örterte und mit Recht widersprochene Projekt des Generals Kundt faßte eine 
Besiedlung der östlichen Berghänge im tropischen Südamerika ins Auge. 
Sicherlich kann eine Erfahrung von wenig mehr als einer Woche, in der ein 
klimatisches Profil — von der Sierra, also aus 2800 m Höhe, durch die Ostanden 
bis an ihren Fuß in fast 1000 m Höhe — zu Fuß und zu Pferde durchquert 
wurde, nur dann einen verwertbaren Begriff vermitteln, wenn man einmal berück- 
sichtigt, daß diese Zeit die günstigste, nämlich die Trockenperiode ist, und zum 
andern, wenn man die örtlich-zeitliche Gleichmäßigkeit der klimatischen Umgebung 
in Betracht zieht. In den Höhen, etwa von 1200 bis 1800 m erscheint diese Um- 
gebung auch dem Nordeuropäer keineswegs feindlich, während unterhalb von 
1000 m die tropische Schwüle dem Siedlungsprojekt entgegen wirkt, obwohl hier 
im Augenblick die Malaria keinen Eingang gefunden hat. Aber in dem klima- 
tisch günstigsten Gebiete ist die landwirtschaftliche Möglichkeit, wie geschildert 
wurde, ausnehmend beschränkt. SchieBßlich sollte nicht vergessen werden: Kann
	        
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