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Full text: 61, 1933

Plaßmann, J.: Sichtbarkeit des Planeten Venus bei tiefstehender Sonne, 97 
noch mit Rücksicht auf die große Lichtstärke des Morgensternes im ersten Ab- 
schnitt. Noch deutlicher tritt dies hervor, wenn wir die drei ersten Abschnitte, 
also alle Beobachtungen des Morgensternes, zusammenfassen, und ebenso alle 
Beobachtungen des Abendsternes, also die letzten drei Abschnitte, alles mit Rück- 
sicht auf die Anzahl der Beobachtungen, die ja in den zwei ersten Abschnitten 
besonders groß ist. Wir erhalten dann aus den 259 Morgenbeobachtungen 
— 0.10 als durchschnittliche Abweichung der Helligkeit vom normalen täglichen 
Gange; aus den 65 Abendbeobachtungen ergibt sich -+- 0.33. Die Zahl der 
Schätzungen ist groß genug, um den Gedanken an ein reines Zufallsergebnis zu 
verbieten. 
Hier an eine kosmische Ursache zu denken, wie sie etwa beim aschgrauen 
Mondlichte die Morgenbeobachtungen begünstigt*), geht natürlich nicht an, und 
über die psychophysikalische Frage ließe sich, wie gesagt, erst verhandeln, wenn 
noch viel mehr Abendbeobachtungen da wären. Es gibt jedoch eine meteoro- 
logische Ursache, die jedenfalls mitspielt. Aus meinen zahlreichen Beobachtungen 
der neutralen Punkte der atmosphärischen Polarisation hat Fr. Roggenkamp*?) 
gefunden, daß auch an anscheinend klaren Tagen der Morgenhimmel hier im 
allgemeinen trüber ist als der Abendhimmel. Die Ursache erkennt er in den 
herrschenden Süd- und Südwestwinden, die aus dem Moorgebiete der Davert 
sowie aus dem unmittelbar südlich vor der Stadt liegenden Überschwemmungs- 
gebiet des Aa-Flusses Feuchtigkeit heranbringen, für welche dann der aus dem 
Süden bei Hamm und aus dem Südwesten bei Bochum und den Nachbarstädten 
aufgestiegene Industriestaub die Kerne zur Konzentration bietet, die sich in der 
Nacht über Münster senken, In dieselbe Richtung weisen die Studien über die 
Verfärbung der tiefstehenden Sonne, die ich an zwei Stellen®) bekanntgegeben 
habe. Die Luft ist am Morgen anders beschaffen als bei gleicher Sonnenhöhe 
am Abend, und ihre Unreinheit verschleiert nicht nur den Stern, sondern be- 
wirkt auch eine stärkere Weißfärbung des Dämmerungsbogens. Dabei sei be- 
merkt, daß die Beobachtungsstätte am nördlichen Ende der bebauten Stadt liegt, 
mit immer noch recht freier Aussicht nach Osten, Norden und Westen. 
(= +51° 58; 1=-—7° 37; h= 74m, geltend für das flache Dach des Wohn- 
hauses). 
Die Berechnung der Höhen der Venus selbst hätte bei der Geringfügigkeit 
des Materials kaum die Mühe gelohnt. Man gewinnt jedoch für die Abschätzung 
ihres Einflusses einen Anhalt, wenn man das Material nach der Jahreszeit 
ordnet. Der Vorfrühling, etwa von Mitte Februar bis Mitte März, ist bekannt- 
lich für die Beobachtung des Tierkreislichtes sowie des aschgrauen Mondlichtes 
am Abend die beste Zeit, weil um 6b Sternzeit die Ekliptik am steilsten zum 
Horizont steht. Bei gleicher Phase wird sich also um diese Zeit auch Venus am 
leichtesten auffinden lassen. Für Morgen- 
beobachtungen gilt dasselbe vom Oktober. 
Tabelle C gibt die gefundenen Mittelwerte 
wieder. 
Lassen wir die Mittel aus weniger 
jenn 10 Beobachtungen zunächst als reine 
Zufallsergebnisse auf sich beruhen, so 
zeigt sich, daß zu Anfang des Jahres der 
Morgenstern auffallend lichtschwach er- 
scheint, einmal weil die Sternzeit nicht 
mehr günstig ist, dann aber besonders 
wegen des schlechten Luftzustandes an - ——— 
den Wintermorgen, wie er aus Roggenkamps Festellungen hervorgeht, Dem 
Abendstern kommt die günstige Sternzeit zugute, auch der bessere Zustand der 
Atmosphäre. Das Maximum bei den Morgenbeobachtungen im Juli und August 
Monate 
4) Vgl. unsere Ausführungen in der Zeitschrift Die Himmelswelt, Bd. XXXIV [1924], besonders 
Seite 103. — %) Die neutralen Punkte von Arago und Babinet in Münster in den Jahren 1910 bis 1925, 
Inaug.-Dies, Hamburg 1932. -— % Vgl. Ann. d. Hydr. usw. 1924, S, 15—18; Meteorolog. Zeitschr. 
1931, Heft 11. 421—425,
	        
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