Die Küste, 75 MUSTOK (2009), 255-265
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zwischen 2 und 3 m und an exponierten Küstenabschnitten von Rügen und Fehmarn um
ca. 4 bis 5 m.
Bei der Sicherheitsüberprüfung des Landesschutzdeiches der Probstei zeigen die Ergeb
nisse, dass der Sturm von 1872 hier mit einem Wasserstand von 2,95 m NN und einer signi
fikanten Wellenhöhe von ca. 1 m am Deichfuß zum höchsten rechnerischen Bestick führt.
Die Unterschiede zum maximalen Bestick der vier höchsten Szenarien liegen zwischen 18 cm
und 34 cm. Der Vergleich der aktuellen Deichkronenhöhe von 4,5 m NN mit dem aus der
Methode bestimmten maximalen rechnerischen Bestick von 3,85 m NN lässt in der Probstei
auf eine Reserve von ca. 65 cm für die künftige Entwicklung des mittleren Wasserstandes und
anderer sturmflutverstärkender Faktoren schließen. Beim Vergleich der Erosionsraten füh
ren in der Probstei aufgrund unterschiedlicher Sturmverläufe zwei der Szenarien zu einem
höheren Gesamtenergieeintrag als das Ereignis von 1872.
Die am FTZ Büsum entwickelte hydrodynamische und morphodynamische Modell-
familie bildet in Verbindung mit den meteorologischen Sturmszenarien und der Rekonstruk
tion des Sturmes von 1872 ein integriertes System, das für verschiedene Fragestellungen des
konstruktiven Küstenschutzes entlang der gesamten deutschen Ostseeküste angewendet
werden kann. Aufgrund der großen Bandbreite in den zeitlichen Abläufen der Szenarien mit
unterschiedlichen Verweildauern von hohem Wasserstand und Seegang ist nun eine Vielfalt
unterschiedlicher und extremer Küstenbelastungsszenarien verfügbar. Die Kopplung von
hydrodynamischen und morphodynamischen Modellen erlaubt die Überprüfung der Stand
sicherheit von Küstenschutzanlagen sowohl für Extremereignisse als auch für mittelfristige
Zeiträume. Zudem wird mit fortschreitender Entwicklung auf diesem Gebiet auch die Ein
schätzung längerfristiger morphologischer Entwicklungen für Bemessungsaufgaben mög
lich. Beispiele möglicher Anwendungen sind die direkte Bemessung künftiger Küstenschutz
anlagen, die Sicherheitseinschätzung bestehender Strukturen oder die Untersuchung der
lokalen Auswirkung eines Meeresspiegelanstiegs auf die Hydrodynamik extremer Sturmer
eignisse. Daraus können Prioritäten zur Verbesserung der Sicherheitslage definiert werden.
2.5 Verfahren zur Sicherheitsüberprüfung und Bemessung
von Küstenschutzan1agen an der deutschen Ostseeküste
(SEBOK B)
Im Teilvorhaben SEBOK B wurden zwei numerische Modelle zur Langzeit-Simulation
von Seegang in der Ostsee (WODLM und SOHIP) auf der Grundlage des numerischen
Modells SWAN als Basis für die Ableitung von Seegangseingangsgrößen für die Bemessung
von Küstenschutzwerken entwickelt, mit verfügbaren Seegangsmessungen (Messungen Uni
versität Rostock und GKSS) verifiziert und angewendet. Daneben wurde ein bekanntes sta
tistisches Verfahren zur Ermittlung von Seegangsdaten auf der Grundlage von Messungen
genutzt. Im Ergebnis liegen Ergebnisse aus Seegangssimulationen für einen Zeitraum von
maximal 57 Jahren (1948-2005) für die gesamte deutsche Ostseeküste vor, die in Kombina
tion mit verfügbaren Wasserstandsinformationen aus Messungen und Modellrechnungen die
Grundlage für die statistischen Analysen sind.
Insgesamt wurde im Rahmen der Verifikation festgestellt, dass die zu erwartende Ge
nauigkeit der Ergebnisse numerischer Seegangsmodelle sehr stark von der Qualität und
Genauigkeit der Eingangs-Windfelder abhängt. Die mit dem WODLM ermittelten Seegangs
parameter (Wellenhöhe, Wellenperiode und Wellenanlaufrichtungen sowie das Wellenspek
trum) waren bei der Betrachtung einzelner Ereignisse um eine Größenordnung genauer im