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Full text: 37, 1909

IB 
Annalen der Hydrograpbie und Markimen Meteorologie, Januar 1909, 
Ich habe jetzt versucht, einige der Probleme darzulegen, an denen die 
Polargegenden so reich sind, Ich habe indessen nur eine Auswahl getroffen, 
indem ich vorwiegend das Polarbecken vor Augen gehabt habe. Es ist besonders 
die Erforschung dieses letzteren — des Kerns der Polargegend —, an die wir 
jetzt alle unsere Kraft setzen müssen. Es gibt viele Menschen, welche glauben, 
daß eine Polarexpedition nur unnützer Verlust an Geld und Leben ist, Mit dem 
Begriff Polarexpedition verbinden sie in der Regel einen Gedanken an einen 
Rekord, zum Polpunkt oder am weitesten gegen Norden zu kommen, und In 
diesem Falle muß ich mich einig mit ihnen erklären. Aber ich will auf das be- 
stimmteste erklären, daß diese — der Sturmlauf gegen den Pol — nicht das 
Ziel dieser Expedition sein wird, Der Hauptzweck ist ein wissenschaftliches 
Studium des Polarmeeres selbst oder genauer eine Untersuchung der Boden- 
rerhältnisse und der ozeanographischen Verhältnisse dieses großen Beckens, 
Eine Arbeit mit diesem Ziel vor Augen wird nach meiner Meinung aus ver- 
schiedenen. Gründen von der größten wissenschafflichen Bedeutung werden 
können, Erstens wird es ja großes Interesse In geographischer Bezichumg er 
regen, die Verhältnisse in jenen unbekannten Gegenden in der Nähe einer der 
Polpunkte der Erde näher kennen zu lernen, Und zweitens wird es von Wichtig- 
keit sein, diese nördlichen Fahrwasser in ihrem Verhältnis zu den angrenzenden 
Meeresgobieten zu kennen, z, B. die Wechselwirkung zwischen dem Atlantischen 
Ozean oder dem Norwegischen Meer und dem Polarmeer, Es besteht eine stete 
Wechselwirkung zwischen diesen Meeresgebieten, welche man vollständig zu ver- 
stehen nicht lernen kann, ehe jedes derselben erforscht worden ist. 
Und dam schließlich — und dieses ist der Punkt, welcher schwerer als 
alles andere ins Gewicht fallen. wird zum Vorteil einer Expedition nach jenen 
Gegenden -—: Das Polarmeer bietet in wesentlichen Beziehungen eine weit 
günstigere Arbeitsgelegenheit zum Studium der allgemeinen. Verhältnisse im 
Meer als irgend ein anderer Ort, Es sind die eigentümlichen Verhältnisse dort 
oben, welche dies mit sich bringen — ein 4000 m tiefes, ja vielleicht noch 
tieferes Meer, auf dessen Oberfläche man sich fast wie auf festem Lande be- 
wegen kann, Man kann auf dem Eise leben und bauen; man kann von dort 
Alle seine Instrumente ins Meer hinuntersenken und die größten Tiefen erreichen 
ohne alle die Schwierigkeiten, mit denen man in Unwetter und bei hoher See 
auf dem olfenen Meer zu kämpfen hat, Einen idealeren Platz für Meeres- 
forschungen gibt es nicht, Ich wünsche recht schr, daß es mir gelungen sein 
möge, meine Anschaumgen so darzulegen, daß weitere Kreise die Ansicht teilen 
und eine neue Fahrt über das Polarmeer erforderlich finden. Ich werde jetzt 
in aller Kürze andeuten, in welcher Weise ich mir gedacht habe, das Polarbecken 
zu erforschen, 
Die. Weise ist nicht neu, sie ist von früher her bekannt. Ich bin darauf 
bedacht, das gleiche Verfahren zu benutzen wie Professor Nansen mit »Frame, 
aber wohl zu beachten, in Verbindung mit den vorzüglichen Erfahrungen, die 
er mir zur Verfügung gestellt hat. Ich werde Sie nicht ermüden mit einer 
Wiederholung aller der Beweise, die Professor Nansens Theorie bezüglich der 
Polarsträmung zugrunde lagen. Sie sind uns alle wohlbekannt, Wir haben 
jetzt einen Beweis, welcher weit sicherer und besser ist als alle diese kleinen 
anscheinend unbedeutenden Dinge, welche Nansen mit großer Mühe und Arbeit 
aus den verschiedenen. Gegenden des Polarmeeres geholt hat, und aus denen er 
seine geniale Theorie bezüglich der Polarströmung hergeleitet hat, und worauf 
&r seine glänzende Tat ausführte = ich wiederhole, wir haben einen weit sichereren 
Beweis — wir haben Nansen selbst. Indem ich mich auf seine Erfahrungen 
stütze, habe ich mich dafür bestimmt, meinen Ausgangspunkt weit entfernt von 
der Stelle zu nehmen, wo Nansen sich genötigt sah, seine Trift mit »Fram« zu 
beginnen, 
Mein Plan. ist folgender: Mit »Fram«, ausgerüstet für 7 Jahre und einer 
tüchtigen Besatzung, verlasse ich Norwegen Anfang 1910, Der Kurs wird um 
Kap Horn auf San Francisco gesetzt, wo Kohlen. und Proviapt eingenommen 
werden. Von hier wird der Kurs nach Point Barrow, der Nordspitze von Amerika,
	        
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