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Berechnung der Deviation der Schiffskompasse.
Beiträge
zur Berechnung der Deviation der Schiffskompasse, mit Unter-
suchungen über die ältesten Flinders’schen Deviationsbeobachtungen.
Von Prof. &. D. E. Weyer in Kiel,
Schon im 17. Jahrhundert findet sich eine Erklärung über den Ursprung
der Deviation, wie wir jetzt, nach dem Vorgange von Ross’), die Abweichung
des Kompasses vom magnetischen Meridian nennen, welche hervorgebracht wird
durch das vorübergehend oder dauernd magnetisch gewordene Kisen des Schiffes,
Werthvolle Ergebnisse von Untersuchungen über den Gegenstand sind im
Laufe der Zeit wieder vergessen oder niemals allgemein bekannt geworden,
statt als Gemeingut eine Verwerthung und weitere Entwickelung zu finden;
Manches mulfste erst wiederholt entdeckt werden.
Laurens Reaal (1583—1637), Gouverneur im niederländischen Indien,
hinterliefs über den Magnetismus ein sehr selten gewordenes Werkchen, welches
1651 von Barlaeus veröffentlicht wurde, und worin folgende, aus so früher Zeit
überraschende, lichtvolle Darstellung?) vorkommt:
„Es giebt Eisenstücke, die so lange mit dem einen Ende auf der Erde
und mit dem andern in die Höhe gestanden haben, dafs sie sich ganz und gar
nicht mehr verändern, und wenn ihr sie auch gerade überende haltet; denn das
Ende, was nach der Erde gestanden hatte, bleibt immer nördlich und das
andere immer südlich, wie ihr es auch wendet, Dies geschieht auch an länglichen
Eisenstücken, die lange Zeit genau Süd und Nord oder meridionaliter gelegen
haben. Hieraus ersieht man, welche grofsen Fehler entstehen könnten, wenn der
Kompafs in der Nähe der Pumpe steht, weil der aufrecht stehende Pumpenstock
mit dem obersten Ende das Nord (der Nadel) zu sich hinzieht; dagegen wenn
bei dem Nachthause über dem Kompafs einige lange Klammernägel senkrecht
niederstehen, so würden sie das Südende der Nadel stark anziehen, und es ist
nicht zu glauben, wie weit diese Kraft des KEisens reicht, viel weiter als
die eines einzigen kräftigen Magneten. Kin horizontal liegendes Eisen thut in
dem Schiffe soviel Schaden nicht.“
Hierauf folgte 1666 die Beobachtung des französischen Hydrographen
Guillaume Denis von Dieppe, dafs überhaupt die Richtuug der Nadel, je nach
dem Aufstellungsorte des Kompasses im Schiffe, verschieden sei.®) Dieselbe
Wahrnehmung wiederholt sich später zu verschiedenen Zeiten,
Dafs aber diese Deviation, unter übrigens gleichen Umständen, auch schon
mit der Richtung des Schiffes gegen den Meridian sich verändere, wurde zu-
erst von William Wales*) auf dem Schiffe „Resolution“ entdeckt, worin er
als Astronom den Kapt. Cook auf seiner zweiten grofsen Reise (1772—75) be-
gleitete. Es scheint indessen bei den vielen Mängeln der Kompasse jener Zeit,
womit man zu kämpfen hatte, damals wenig Werth auf diese Entdeckung gelegt
zu sein; Cook übergeht sie nachher mit Stillschweigen, und Wales selbst hat
auch nur sehr wenige Fälle der Art mit dem nöthigen Detail (Kursangabe)
unter seinen zahlreichen Beobachtungen gelegentlich angeführt. Als einfaches
Beobachtungsresultat ergab sich ihm jedoch auf der südlichen Erdhälfte, dafs im
Allgemeinen die beobachtete westliche Variation (Deklination) am gröfsten
herauskam auf den Kursen „Nord und östlich“, und am kleinsten bei den
Kursen „Süd und westlich“, Ueber die etwaige Ursache hiervon oder eine be-
treffende Korrektion der Beobachtungen erwähnt Wales gar nichts, so dafs es
1) John Ross, A voyage for exploring Baffın’s Bay. London 1819.
2) In der niederl. Zeitschrift „De Zee“, Dez. 1886, von W. van Hasselt mitgetheilt, Der
"Titel der Urschrift lautet nach Jöcher: Observatien of onderfindingen aan de Magneetsteen of mag-
netische Kracht der Aarde, Amsterdam 1641 in 8° Herr van Hasselt bezieht sich auf eine
Abh. von A. van Beek,
3) A. Collet, Traite& de la compensation des compas. Paris 1882, p. XII. .
4) The Original astron. obs. made in the course of a voyage towards the South Pole, and
round the World, in H.M. S. the Resolution and Adventure, in the years 1772—75. By William
Wales and Mr. William Bayly. London 1777 in 4°.