Ann, d. Hydr. ete., XVI. Jahrg. (1888), Heft I.
Die Oberflächenströmungen im südwestlichen Theile der Ostsee
und ihre Abhängigkeit vom Winde.
den Beobachtungen an Bord des Feuerschiffes „Adler-Grund‘,
Von L. E, Dinklage, Vorsteher der Abtheilung I,
(Mittheilung von der Deutschen Seewarte.)
Durch Vermittelung des Hydrographischen Amtes erhält die Seowarte
die an Bord des Feuerschiffes „Adler-Grund“, im südwestlichen Theile der Ostsee,
geführten meteorologischen Journale, welche neben den üblichen meteoro-
logischen Beobachtungen auch solche der Oberflächenströmungen enthalten. Die
Umstände, unter welchen diese Beobachtungen gemacht werden, lassen dieselben
besonders geeignet erscheinen zu einer Untersuchung über die Abhängigkeit
der Meeresströmungen vom Winde, einen Gegenstand, der nicht nur in. wissen-
schaftlicher Hinsicht, sondern auch für die Praxis der Schiffsführung von
grofsem Interesse, unseres Wissens aber noch nicht auf Grund thatsächlicher
zuverlässiger Beobachtungen untersucht worden ist.
Der nächste, für eine derartige Untersuchung vortheilhafte Umstand be-
steht darin, dafs das hier vorliegende Material durch direkte Messungen von
einem festen Punkte aus gewonnen wurde. Strömungsbeobachtungen vermittelst
geeigneter Instrumente, angestellt auf einem festliegenden Feuerschiffe, ergeben
natürlich sehr viel zuverlässigere Werthe als die, welche an Bord eines in Fahrt
befindlichen Schiffes auf die gewöhnliche Weise, durch Vergleichung des nach
der Loggrechnung erreichten Ortes mit dem nach astronomischen Beobachtungen
wirklich erreichten, gewonnen worden sind, denn bei letzteren bleibt es stets
uangewifßs, ob die rechnungsmälsig sich ergebende Versetzung wirklich und nur
eine Folge der Strömung ist, oder ob auch andere Ursachen, z. B. ungenaues
Steuern, Kompafs- und Loggfehler, unrichtige Schätzung der Abtrift, Fehler der
astronomischen Beobachtungen u. 8. w. zu ihrer Entstehung mitgewirkt haben,
Ein weiterer Vortheil ist die verhältnifsmäfsig freie Lage des Beobachtungs-
ortes. Das Feuerschiff „Adler-Grund“*, zwischen Rügen und Bornholm in
54° 48,6“N-Br und 14° 20,7‘ O-Lg gelegen, ist von dem Lande fast überall in.
der Runde mehr als 30 und selbst von dem nächstgelegenen Punkte, dem West-
ande von Bornholm, nicht unter 20 Sm entfernt. Die Peilung und Entfernung
des nächsten Landes an den verschiedenen Punkten des Horizontes ist: Born-
holm bei Due Odde rw. ONO 27 Sm, Bornholm bei Rönne NOzN 20,5 Sm,
Schwedische Küste bei Sandhammar NzW 34 Sm, Insel Moen (Dänemark) WzN
62 Sm, Rügen bei Arkona WzS 32 Sm, Rügen bei Stubbenkammer SWzW 27,5 Sm,
Pommersche Küste bei Groß Horst SSO 49,5 Sm. Diese offene Lage des Ortes
läfst es zu, dafs die Bewegung des Wassers der Einwirkung des Windes frei
und ohne dafs die Nähe des Landes sogleich einen hindernden oder ablenkenden
Einfluß ausübt, folgen kann, und man darf deshalb annehmen, dafs ähnlich, wie