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Full text: 10, 1882

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längere Zeitraum und wiederholte Uebergang zwischen Luftschichten verschiedener 
Temperatur wird durch eine Verstärkung und leichte Modifikation des aufFig. 3 
dargestellten Schemas der Bewegung erklärbar sein, wenn man annimmt, dafs 
Hagelkörner in den bei bc aufsteigenden Luftstrom gelangen kÖDnen und dieser 
stark genug sei, sie wieder in die Höhe zu führen. Für die, schon öfters 
betonte, Abhängigkeit der Hagelbildung von der Natur der Bodenoberfiäche 
scheinen auch beim Unwetter vom 9. August 1881 sich mehrfache werthvolle 
Anhaltspunkte zu ergeben, indem der Hagelfall die Wälder und deren unmittel 
bare Nachbarschaft mied, die Wald- und Seengegend um Gremsmühlen sogar 
übersprang und in einem Falle (am Fehmarsund) dicht vor der Meeresküste 
aufhörte. Allein die Neustädter Bucht scheint der Hagelstreif ohne Störung zu 
passiren, an den Ufern des Segeberger und des Warder Sees (Wensien) haben 
die gröfsten Verheerungen stattgefunden, und jenseits der Lücke hat der Hagel 
in dem offenen, aber von Wäldern umringten Gebiete Stendorf—Sagau ein 
gesetzt, während er den gröfseren waldlosen Laudstrich nordöstlich von Malente 
noch verschonte; es ist also dieser Zusammenhang kein strenger. 
Wenn oben gesagt wurde, dafs die Ausbildung von wirbelnden Luftsäulen 
in dieser Böe nicht sicher nachweisbar sei, so wurde dabei nur auf solche mit 
vertikaler Axe Bezug genommen; dagegen ist dio Annahme von Wirbelbe 
wegungen um horizontale Axen für eine physikalische Auffassung unvermeidlich, 
wie denn solche auch auf Fig. 3 dargestellt sind; doch gilt dieses nur für die 
relative Bewegung der Luftmassen gegen einander, nicht für diejenige in Bezug 
auf die Erdoberfläche; denn es ist sehr unwahrscheinlich, dafs über der Böe 
und deren nächster Nachbarschaft es in irgend einer Höhe über der Erdober 
fläche am 9. August 1881 Luftmasson gegeben habe, welche aus NE nach SW 
sich bewegten. 
Mit dieser Darstellung über die Natur der Böe als eines Luftwirbels um 
eine lange horizontale Axe, der auf einer grofsen Strecke gleichzeitig für 
wenige Minuten Dauer auftritt, nacheinander aber einen grofsen Raum bestreicht, 
stimmt durchaus die von Herrn G. Hiurichs in seinem „Iowa Weather Bulletin 
for June 1881“ über „Iowa Squalls“ gegebene überein, welche letzteren er sehr 
klar von den Tornados unterscheidet. Es ist dieses um so bemerkenswerther, 
als es die einzige präcise Nachricht über echte Böen aus Amerika ist und 
Hinrichs, gewifs mit Recht, bemerkt, dafs Vieles, was vom Publikum als 
Tornado bezeichnet wird, in Wirklichkeit eine solcho Böe ist. In den höchst 
werthvollen neueren Untersuchungen von Finley über Tornados finden wir 
„Squalls“ nicht erwähnt, sondern unter dem wenig passenden Namen „Hurricanes“ 
mit den längeren Winterstürmen vereinigt. Die Bedingungen, unter welchen 
unsere Böe stattfand, sind sehr ähnlich jeneD, unter welchen in Amerika Tor 
nados (häufig zu mehreren) auftreten; dafs in unserem Falle keine solchen ent 
standen, dürfte gröfstentheils daran liegen, dafs ein erheblicher Luftzuflufs zur 
Rinne niederen Druckes von der vorderen Seite derselben durch die in Europa 
— in höherer Breite — intensivere Wirkung der Erdrotation verhindert war, 
und damit also auch die zur Toruadobildung nothwendige Konvergenz be 
schleunigter Strömungen fehlte. 
Ich kann nicht sehliefsen, ohne auf die Aehnlichkeit der hier, grofsen- 
theils als Resultat der eingehenden Untersuchung recenter Vorgänge, ausge 
sprochenen Ansichten mit den von Hin. Dr. Vettin vor 25 Jahren in einem 
Aufsatze: „Ueber den aufsteigenden Luftstrom, die Entstehung des Hagels und 
der Wirbelstürme (Pogg. Ann. Bd. 102 SS. 246—255) dargelegteu Anschauungen 
hinzuweisen. Die Fig. 6 Taf. III von Hin. Vettin stimmt, wenn man die Be 
wegungen als relative auffafst und die darauf bezüglichen Worte auf S. 249 
hinzuzieht, wesentlich mit unserer Fig. 3 überein. Der bezügliche Aufsatz hat 
bald darauf (ibid. SS. 607—613) von der damals gröfsten Autorität in der 
Meteorologie eine heftige Abweisung erfahren und ist, wie auch die übrigen 
Aufsätze desselben Verfassers in den Bänden 99 und 100 derselben Zeitschrift, 
der Vergessenheit verfallen, vielleicht zum nicht geringen Theile eben durch 
jene Verurtheilung; jedoch zum Schaden der Sacho. Ich selbst habe diese Ar 
beiten erst ganz kürzlich kennen gelernt und war erstaunt, in denselben An 
sichten und Methoden zu finden, welche den jetzt mehr und mehr in Aufnahme
	        
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