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mehr auf einen breiten Streifen. Dieses ist jedoch nur der Fall, wenn die Be
wegung von der schweren nach der leichten Flüssigkeit hin im untersten
Niveau am schnellsten ist; je mehr dieselbe am Boden verzögert wird, desto
mehr richtet sich die Trennungsfläche der beiden Flüssigkeiten auf (sie kann
sogar in einem Theile überhängond werden), und wird in Folge dessen der
Druckdifferenz ihre ursprüngliche Gestalt einer Druckstufe gewahrt; noch mehr
kann dieses der Fall sein, wenn dem ganzen System unabhängig von den durch
die Dichtigkeits-Unterschiede bewirkten Strömungen innerhalb desselben, ein
nach der Seite der leichteren Flüssigkeit gerichteter Bewegungs-Impuls ertheilt
wird, welcher nach oben zu wächst; und eine solche Komponente der Bewegung
war in diesem Fall durch die Lage des gröfseren der Wirbelcentrums auf der
Nordsee und die Zunahme der Temperatur von da bis nach Mähren etc. (vgl.
diese Ann. S. 658 These B) gegeben.
Wir sehen also die Ursache für die Gestaltung der Druck-Unterschiede
zu einer einzigen Druckstufe, und damit auch die wesentlichste mittelbare Ursache
für den kurzen orkanartigen Sturm, einerseits in der durch die Niederschläge
bewirkten Zusammendrängung der Isothermen in der fraglichen Gegend, anderer
seits in einer, mit der Brandung zu vergleichenden Wirkung der Reibung. Die
gröfste äufsere Analogie hat unsere Erscheinung mit den Bore-Wellen in Fluf3-
mündungen. Eine dritte Ursache, welche bei der Bildung der Druckstufe mit
wirkt, liegt in der von ihr selbst geschaffenen Beschleunigung und den im
folgenden Paragraphen zu besprechenden vertikalen Bewegungen und besteht
darin, dafs im vorderen Theile und vor der Böe die Abfuhr, hinter derselben
die Zufuhr von Luft in den unteren Schichten so lange das Uebergewicht hat,
bis die Steilheit der Stufe und der dadurch bewirkte Lufttransport demselben
die Wage hält.
D. Die vertikalen Bewegungen. Tafel 20 zeigt uns die Böe im
Grundrifs als eine nach vorn und hinten scharf begrenzte Verstärkung eines
etwa 400 km breiten südwestlichen Luftstroms ohne bedeutende Aenderuug
seiner Richtung. Da den Kontiuuitätsbedingungen zufolge durch jeden Quer
schnitt dieses Luftstroms in der Zeiteinheit gleiche Massen gehen mufsten, so
mufste der Querschnitt desselben in der Böe gegen denjenigen im vorher
gehenden Theile in demselben Verhältnifs kleiner sein, als die Geschwindigkeit
in ihr gröfser war als hinter ihr; da die Breite des Stromes aber nicht wesent
lich sich änderte, so mufs diese Reduction des Querschnitts in der Abnahme
der Höhe des Stromes bestanden haben, und zwar, weil die Beobachtung am
Erdboden unmittelbar hinter der Böe nur etwa 8 m. p. s., und auch die Rechnung
nach den Gradienten im günstigsten Falle 12 bis 15 m. p s. ergiebt, die
Geschwindigkeit in der Böe aber mindestens auf 35 m. p. s. zu schätzen ist,
so mufs die Höhe des Luftstroms beim Eintritt in die Böe sich auf etw T a i /a
seiner bisherigen Höhe reducirt haben. Nehmen wir die Höhe, bis zu welcher
dieses Verhältnifs in den Geschwindigkeiten der Böe und des dieselbe speisenden
Luftstroms herrschte, zu 400 m an, so reichte der letztere für diese 400 m der
Böe bis zur Höhe von 1200 m, und waren also 2 /ä der Luft in der Böe um
durchschnittlich etwas weniger als 800—200, d. i. 600 in herabgestiegen, wenn
*/» ihres Luftgemenges seine Höhe nicht geändert hatte.
Diese Rechnung zeigt uns, dafs auch von diesen, wesentlich abweichenden
Gesichtspunkton ausgehend, eine erhebliche niedersteigende Bewegung der Luft
hinter und in der Böe sich als eine nothwendige Bedingung erweist, wie die
selbe schon früher von Anderen und mir selbst angenommen wurde. Die gröfste
horizontale Geschwindigkeit des Windes mufs nach dieser Betrachtung an der
Stelle erreicht werden, wo der Luftstrom seine geringste Höhe hat und wo die
absteigende Bewegung in die aufsteigende übergeht.
Die Stelle hinter und in dem stürmischen Theile der Luftströmung,
welche wir hier dem niedorsteigenden Strome zuschrieben, wurde am 9. August
— wie dieses in der Regel der Fall ist — von Gewitter und mehr oder minder
starken Niederschlägen eingenommen. Das Herannahen der Böe wurde überall
durch das rasche Aufziehen sehr schwerer Wolken und zunehmende Dunkelheit
angekündigt, welche, als diese Wolken den Himmel ganz bedeckt hatten, einen
durchaus ungewöhnlichen Grad erreichte. In geringerem Grade tritt diese Er
scheinung bei jedem stärkeren Sommerregen mit gut ausgebildetem vorderen