718
Von dem Hauptgebiet der Zerstörungen vom 9. August ist die westliche
Hälfte auf Taf. 25 dargestellt; die Orte, von wo bedeutende Schäden durch den
Sturm bekannt geworden sind, finden sich darauf durch Kreuze bezeichnet. Man
erkennt leicht, dafs weitaus die Mehrzahl derselben sich auf zwei nahezu gerade,
schmale Banden vertheilen, welche den beiden Hagel-Banden annähernd parallel
verlaufen, wiewohl nur die westliche mit einer solchen theilweise zusammenfällt.
Die Richtung der schwächeren westlichsten Bande ist N31°E, jene der viel
bedeutenderen östlicheren — so weit es bei den anscheinenden Krümmungen
der letzteren sich feststellen läfst — N 23° E; die Mehrzahl der Nachrichten
über Windschäden aus Mecklenburg endlich fällt in einen dritten Streifen,
dessen Richtung N 37° E ist.
Der westliche Streifen beginnt mit den östlichen Vororten Hamburgs
(vgl. oben) und setzt sich dann von der Mitte des grofsen Segeberger Hagel
strichs bis zur Lücke in diesem bei Eutin fort. In den Ortschaften SohiereD,
Travenort, Travenhorst, Blomnath, Kiekbusch, Liensfeld, Gr. Meinsdorf, Eutin
und Fissau, welche alle nahezu genau auf einer Gex*aden liegen, und in dem 6 km
zur Seite davon liegenden Börnsdorf sind Gebäude abgedeckt worden, und eine
grofse Anzahl Bäume ist in dem Gehölz westlich von Travenort, wie auf der
Allee zwischen Eutin und Fissau, umgerissen oder gebrochen; letztere fand ich
nach NE bis NE z E liegend. Das Fürstenthum Lübeck ist eine der wenigen
Gegenden der Erde, wo eine Versicherung gegen Windschäden besteht und
zwar in der Form freiwilliger Genossenschaften zu gegenseitiger Versicherung;
solcher „Windgilden“ sind mehrere da. In diesem Falle werden z. B. die
Schäden in Meinsdorf und Ottendorf durch eine der beiden Eutiner Gilden mit
3375 M., jener von Liensfeld durch die Gleschendorfer Gilde mit 2500 M.
vergütet.
Der zweite Streifen, der meistentheils 4—5 kin, bei Ratzeburg aber 11 km
breit ist, beginnt ebenfalls nahe der Elbe mit dem Orte Gülzow, 1 ) wo der
Sturm an Häusern und Bäumen grofsen Schaden gethan haben soll; durch einen
vom Hauptgebäude auf den Stall stürzenden Dachtheil sind hier auch eine
Anzahl Schweine getödtet. Von hier geht die Linie der Verwüstungen zunächst
in der Richtung N11°E nach Nüsse, in dessen Umgebung eine grofse Menge
von Beschädigungen, sowohl an Gebäuden als in dem Poggenseer Forstrevier,
angerichtet sind; von hier weiter nach N31°E zwischen den Ortschaften Anker
und Bergrade über Kühssen nach Berkentien (vgl. Taf. 25); an den genannten
Orten, welche ich selbst besucht habe, ist in Anker eine Windmühle umgeworfen,
in Kühssen und in Bergrade sind je zwei Häuser eines Theils ihres Daches
beraubt; an allen drei Orten konnte ich die Richtung des Stofses als zwischen
SzW und SW feststellen. Noch stärker mitgenommen ist Berkentien, wo etwa
7 Gebäude beschädigt und von dem grofsen neuen Müllerhause nicht allein das
ganze Dach, sondern selbst die obersten Lagen der Mauersteine weggerissen
sind, wodurch zwei Pferde erschlagen wurden. Das Dach, ein Pappdach, fand
ich in Stücken 50 und mehr Schritt nach NO entführt und einige Theile, wie
auch in Bergrade, so tief in den Lehmboden eingeschlagcn, dafs sie nicht mit
Pferden bewegt werden konnten. An dieser Stelle hat, den vorliegenden Nach
richten nach zu urtheilen, der Streifen der Verwüstung die gröfste Breite, da er
von Neuvorwerk bei Ratzeburg bis nach Bergrade reicht; allein in seiner Mitte
sind bedeutende Strecken vergleichsweise verschont geblieben: zwischen Bergrade
und Ratzeburg sah ich nur hie und da einen abgeknickten Ast, und nach gefälliger
Mittheilung des Herrn Senator Brehmer aus Lübeck ist auch in den anstofsenden
Behlendorier Forsten kein erheblicher Schaden geschehen, wohl aber in Behlen
dorf selbst.
Von Berkentien geht die durch eine ziemlich grofse Zahl von Nach
richten beglaubigte Spur der Verwüstung wieder nach N10°E, nach Lübeck zu,
wo die ärgsten Verheerungen in der Nähe des Burgthores geschehen sind. Die
schlimmste derselben war jedenfalls der Einsturz des Schornsteins auf der Werk
statt der Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft, wodurch 4 Personen schwer —
meist tödtlich — und 4 andere leicht verletzt wurden. Durch die umgestürzten
!) Schon in der Stadt Lauenburg hat der Sturm Dachpfannen ausgerissen und einige Bäume
um geworfen: doch scheinen die Schäden nicht bedeutend gewesen zu sein.