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Ueber den Einflufs der Temperaturvertheilung auf die oberen Luft
strömungen und auf die Fortpflanzung der barometrischen Minima.
Von Dr. W. Koppen. 1 )
(Mittheilung von der Deutschen Seewarte.)
(Mit einer Figurentafel No. 23.)
ln einem bereits 1872 erschienenen Buche, welches wenig bekannt ge
worden zu sein scheint, „The Laws of the Winds prevailing in Western Europe,
Part 1“, hat Rev. Clement Ley auf pag. 14—16 die Ergebnisse seiner bis
dahin angestellten Studien in Bezug auf die Luftströmungen in folgende 11 all
gemeine Sätze zusammengofafst, von denen einige erst heute in ihrer weit
tragenden Bedeutung verstanden zu werden beginnen, und welche eine Re
produktion schon wegen der Rolle, welche ihr Verfasser in der Entwickelung
der gegenwärtigen Kenntnisse über die Luftströmungen spielt, wohl verdienen.
I. „Barische Gebiete, oder von geschlossenen Isobaren-Linien um
schriebene atmosphärische Räume, neigen im Allgemeinen, in gemäfsigten Breiten,
zu runden oder ovalen Formen. Diesen Formen nähern sich am meisten die
Gebiete niedrigsten Druckes, während unregelmäfsige Formen gewöhnlich sind
au solchen hohen Druckes.“
II. „Barische Gebiete zerfallen naturgemäfs in zwei Klassen, nämlich
A. jene, deren Strömungen direkt (oder mit dem Zeiger der Uhr) kreisen in
der Nordhemisphäre, und umgekehrt in der Südhemisphäre („Anti-Cyklonen“);
und B. jene, deren Strömungen in retrograder Richtung (oder gegen den Zeiger
der Uhr) kreisen in der Nordhemisphäre und entgegengesetzt in der südlichen
(„Cykloncn“). Alle Gebiete mit höherem Druck als die Umgebung gehören zur
ersteren, alle Gebiete mit niedrigerem Druck als die Umgebung zur letzteren
Klasse.“
III. „Gebiete niederen Druckes haben die Neigung, in aufsertropischcn
Breiten mehr oder weniger schnell ostwärts sich zu bewegen. Gebiete hohen
Druckes folgen, wenn sie geringe Ausdehnung haben, gewöhnlich der Bewegung
der benachbarten Depressionen; wenn ihre Ausdehnung grofs ist, bewegen sie
sich viel langsamer, sind häufig erratisch und zuweilen für einen längeren Zeit
raum stationär.“
IV. „Die Richtung der Bewegung schwankt in West-Europa gewöhnlich
zwischen NNE und SSE“ (besser N und SE), „und ist primär abhängig
von der allgemeinen vorhergehenden Vertheilung der umgebenden
Temperaturen, indem jedes Depressionsgebiet die Neigung hat, mit
einem Winkel von etwa 45° 2 ) gegen die niederen Isothermen fort
zuschreiten.“
„Diese Fortpflanzung ist indessen häufig gestört, weil
V. Gebirgige Landschaften, sowie gewisse Küstenlinien, eine (1) an
ziehende und (2) zurückhaltende Wirkung auf die Depressionen ausüben.“
VI. „Ausgedehnte Gebiete sehr hohen Druckes verzögern, lenken ab
oder beschleunigen die Bewegung der Depressionen, indem jede Depression mit
der gröfsten Leichtigkeit in der Richtung wandert, bei welcher sie den höchsten
allgemeinen Druck auf der rechten Seite ihrer Balm hat (in der nördlichen
Halbkugel, und umgekehrt in der südlichen).“
VII. „Depressionsgebietc sind sowohl für ihre erste Entwickelung, als
ihre fernere Ausdehnung von Niederschlägen abhängig, welche auch das Mittel
sind, durch das die unter IV und V angeführten Ursachen wirken. Starke und
ausgedehnte Niederschläge gehen stets ihrer ersten Entstehung voraus und be
gleiten ihre Erweiterung, und deren Aufhören geht dem Zusammenschrumpfen
oder der Vertheilung der Depressionen unmittelbar vorher.“
VIII. „Dieser Einflufs der Niederschläge, als einer Störungs- und
Bewegungs-Ursache in den unteren Schichten der Atmosphäre, ändert sich ge
wöhnlich umgekehrt wie die allgemeine Temperatur der Atmosphäre.“
J ) Der Schlufs des Aufsatzes über den Gewittersturm vom 9. August 1881 folgt im
Dezember-Heft.
*) Hier ist einznschalten: „naeb rechts“, d. b. so, dafs die höhere Wärme rechts und
hinten bleibt.