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Ganz ebenso war der Verlauf der Witterung am 9. nach der Schilderung
einiger mir bekannter Badegäste in dem benachbarten Seebad Boltenhagen, nur
dafs hier schon gegen 12 h Gewitterwolken und um 12 8 /i h (Ortszeit) anhaltendes
fernes Donnern beobachtet wurde. Die Zeit des Eintritts war dieselbe wie in
Grevesmühlen (zwischen 2 h 15” und 2 h 30”), die Abkühlung sehr auffällig, der
vorhergehende Regenschauer wurde auch liier beobachtet; mit der Böe soll hier
aber nur wenig Regen gefallen, und im Laufe des Nachmittags sollen noch
mehrere Regenschauer vorgekommen sein.
Die Mehrzahl der Naehinittagszüge der Mecklenburgischen Eisenbahu,
nämlich die Züge No. 3, 6, 15 und 18, wurden vom Sturm auf der Station
Kleinen oder in deren unmittelbarer Nähe getroffen. Die hügelige und tlieil-
weise waldige Gegend ist hier der Beobachtung ungünstig, und hierin dürfte
der Hauptgrund dafür liegen, dafs die Angaben der 10 auf diesen Punkt be
züglichen unter den zurückgelieferten Fragebogen (9 vom Personal der Züge,
1 vom Stationsvorsteher) in der Zeitbestimmung nicht so gut übereinstimmen,
wie es an anderen Punkten wohl der Fall ist; doch wird dieses nicht der
einzige Grund sein, sondern deutet Einiges darauf hin, dafs hier das Phänomen
nicht in seiner vollen Plötzlichkeit und Gröfse auftrat, sondern Kleinen an der
WSW-Spitze eines, über Rostock und Schwaau gehenden Streifens lag, der von
der Böe, welche die nördlich und südlich davon belegenen Gegenden heimsuchte,
vorhältnifsmäfsig verschont geblieben ist. Drei Aussagen vereinigen sich dahin,
dafs der Wind schon zwischen 2 h 6” und 2 h 10” (B.Z.) so stark wurde, dafs er Staub
wolken aufhob. Eine einzige, aber schwerwiegende Aussage, jene des Stations
vorstehers, geht dahin, dafs der volle Sturm um 2 h 20” losbrach, als der Zug
von Lübeck eben in den Bahnhof einfuhr; es sei ein einziger, lang andauernder
Windstofs aus WSW gewesen, der zu Anfang am stärksten war und daun, ohne
die Richtung zu ändern, schwächer wurde; „der Wiudstofs war zu Anfang so
stark, dafs einzelne Baumkronen von ihm geknickt und das Wasser im Schweriner
See zu wasserhosenartigen Gebilden in die Höhe getrieben wurde“. Die neun
übrigen Aussagen geben jedoch für den stärksten Windstofs einen etwas späteren
Termin an, der zwischen 2 h 25“ und 2 h 35” schwankt und im Mittel auf 2 h 30’"
(B. Z., wie auch bei allen folgenden Zeitangaben) fällt; und in der That fordert
der Vergleich mit den übrigen vorliegenden Zeitbestimmungen aus Mecklenburg
diesen späteren Termin.
Diese Angaben sind um so weniger mit einander vereinbar, als sowohl
der obige, wie einige der letzteren Berichte nur einen einzigen zusammen
hängenden Windstofs koustatiren; allein mehrere andere Berichte sprechen von
einem längeren Anhalten des Unwetters mit wechselnder Windstärke; der in
struktivste unter diesen ist derjenige des Lokomotivführers Stein, der den
Zug 15 nach Kleinen brachte und von hier den Zug 3 nach Lübeck führte.
„Wie ich in Kleinen ankam, 2 h 6"’, gewahrte ich, dafs sich die Luft im Süden
schwarz zusammenzog, und dafs sich grofse Staubwolken vom Erdboden auf-
nahmen; 2 h 24” fuhr ich von Kleinen ab, und kaum hatte ich die Chaussee von
Zickhusen erreicht, woselbst der Schutz des Waldes aufhört, als auch der immer
stärker werdende Sturm den Zug seine ganze Gewalt fühlen liefs. In Pausen
von 2—3 Minuten kamen die Stöfse mit grofsen Staubmassen herangezogen und
brachten den Zug aus seiner Geschwindigkeit, so dafs ich immer wieder von
vorne anfaugen mufste. Am kräftigsten waren etwa der dritte und vierte Stofs,
ich war bei dem Dorfe Naudin, als der Zug fast ganz stillgehalten wurde“
(entspricht der Zeit 2 b 35” p. m.). Wir dürfen also wohl den Windstofs, der
um 2 h 20“ in Kleinen wahrgenommen wurde, als einen der der eigentlichen Böe
vorhergehenden ansehen; die Verwechselung desselben mit der letzteren im
Gedächtnifs ist um so leichter anzunehmen, als der ersterwähnte Bericht drei
Wochen nach dem Unwetter, am 29. August, verfafst wurde, und das Bahnhofs-
personal vom Wetter durchaus nicht so afficirt wird, wie jenes auf der Loko
motive. Weitere Nachrichten über den Verlauf der Erscheinung in dieser Gegend
lassen sich folgendermafsen zusammonfassen: vor dem Unwetter war die Witterung
bedeckt und schwül, doch ziemlich schön; etwa 10 Minuten vor dem Stofs wurde
der Himmel blauschwarz, darauf ganz grau; dann brach ein Orkan los, der Sand
und Kies hoch aufwirbelte, und dessen Richtung meist als SW oder SSW, ohne
Aendernng während seiner Dauer, angegeben wird; das Ende desselben wird
von zwei Zeugen noch vor 2 h 43” verlegt, von anderen nach 3 h , und dürfte,