606
Luft war augenblicklich noch ganz ruhig, doch einige Sekunden später raste
ein Wirbelwind, wie ihn ich und selbst meine ältesten Kollegen noch nicht er
lebt haben. Um nicht umgeworfen zu werden, mufsten Alle stehen bleiben.
Sehen und überhaupt die Augen öffneu, konnte man des Staubes wegen gar nicht;
einige Kinder und Frauen hörte ich jämmerlich schreien. Als der erste Stofs
vorüber war, fafste ich alle meine, durch die Krankheit etwas reducirte Kruft
zusammen und rannte nach meiner nahen Wohnung; hier beobachtete ich nun
das Unwetter bis zu Ende. Nach meiner Schätzung hat der Orkan 4 Minuten
angehalten; erst als derselbe vorüber war, trat sehr starker Platzregen ein,
welcher 15—20 Minuten anhielt, jedoch ohne Gewitter.“ Letzterer Angabe
widerstreitet die Notiz der meteorologischen Station Hannover, wonach ©
l k p. m. (im Telegramm steht, nach dem Obigen gewifs richtiger, „Mittags“);
da die Böe auch anderwärts nur mit wenigen, nicht sehr starken Dounersehlägen
auftrat, so können wir annehmen, dafs unser Korrespondent einen solchen
überhört hat.
Wenig nordöstlich von Hannover, 2 km südlich von der Station Ehlers
hausen, traf das Wetter den von Hannover nach Hamburg gehenden Zug 55 um
12 h 39’“ Berliner Zeit; es hielt an, bis der Zug zu der Distanz-Station Wester-
Celle gekommen war, wonach sich die Zeit seines Endes auf 12 h 54“ Berl. Zeit
bestimmen läfst. Diese Angabe rührt vom Lokomotivführer des Zuges her und
ist wohl die genaueste von den drei vorliegenden; die zweite rührt vom Zug
führer her und fafst das Unwetter weiter, von 12" 29“ in Burgdorf bis 12'* 5S"‘
in Celle, doch ohne genauere Beobachtungen; die dritte vom Stationsvorsteher
in Celle verlegt den Anfang auf 12 h 44®, das Ende auf etwas nach l h . Aus
dem ersten und dritten Bericht läfst sich folgendes Bild vom Verlauf des Stur
mes in dieser Gegend bilden: das Wetter war am Vormittag heifs, der Sturm
trat plötzlich ein, wirbelte kolossale Staubwolken auf, welche die Luft ver
dunkelten, nach etwa 20 Minuten begann es bei abflauendem Winde und mäfsigem
Gewitter stark zu regnen, was jedoch nur etwa 15 Minuten anhielt. Der Wind
war beim ersten Ausbruch des Unwetters am stärksten und liefs allmählich nach,
seine Richtung war entweder stetig SW oder zuerst W, dann SW (?); Hagel
fiel während der Böe nicht, dagegen trat (in Celle) um 2 h ein sehr starker
Regen mit etwas Hagel ein, der jedoch keinen Schaden anrichtete.
Heber die Untorweser (Vegesack), wo ich mich an diesem Tage befand,
ging um die gleiche Zeit der linke, etwas zurückgebogene Rand des Unwetters
hinweg, jedoch nur mit starkem Regen (von 11 */s h ä- m. bis V/i b p. in.) und
Gewitter (von ll*/4 h a. m. bis lS'/V p. m.), ohne besonders starken Wind. Der
anfänglich sonnige Morgen war hier schon von 10—IOV2 1 ' a. m. durch Gewitter
und starken Regen unterbrochen worden, welches kurz vor IO 1 in der charak
teristischen Form eines dunklen Wolkenwulstes und dahinter liegender hellgrauer
Regenmasse aus WSW heraufgezogen war und ebenfalls nur wenig Wind brachte.
Stärker ausgebildet war der Windstofs um diese Zeit im Süden, da Marburg
@ 2 mit 11V*—12 h a. m., später fü angiebt, Kassel und Fulda @ und um
l h p. ro., P^ in Fulda l h p. m., in Kassel ll h a. m. bis l h p. m.; die Zeitangaben
von Kassel dürften, nach der Uebereinstimmung der übrigen Stationen zu ur-
theilen, ungenau sein und der Windstofs daselbst schon um 127s h » das Gewitter
zwischen 12*/2 und l h eiegetreten sein. Noch weiter südlich finden wir einen
Windstofs nicht erwähnt, sondern länger dauernden starken Wind; das Vorüber
ziehen des Unwetters läfst sich hier nur aus dem Regen erkennen. So wurdo
in Frankfurt starker Regen ll®/4—127a 11 , starker Wind den ganzen Tag, und
in Darmstadt Regen um 117s h a. m., starker Wind am Nachmittag und
Abend notirt.
Im Laufe der folgenden Stunde, l h — 2 b p. m., wuchs das Phänomen in
seinem nördlichen Theile rasch zu seiner gröfsten Kraft an, in welcher wir es
im vorigen Abschnitte kennen lernten. Namentlich am nördlichen linken Flügel
desselben nahm seine bis dahin mäfsige Intensität sehr zu. Wir haben hier
zunächst die Berichte der Eisenbahnstationen Uelzen und Buehholz und der
meteorologischen Station Lüneburg. In Uelzen trat das Unwetter eine kurze
Zeit, nachdem der von Magdeburg kommende Zug 46 eingefahren war, um
l h 17® Berl. Zeit ein; als der Zug 59 (nach Hamburg) um l fc 22 m Berl. Zeit
abfubr, war der heftige Wind schon wieder vorüber. Das Wetter soll hier auch