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Das genaueste Material iu dieser Hinsicht lieferten die in der Einleitung er
wähnten Fragebogen, welche die Direktion der Seewarte an die Verwaltungen
der Mecklenburgischen, Hamburg'Berliner und Hannoverschen Bahnen versandt
hatte, und von denen 60 mit brauchbaren, zum Th eil sehr genauen Zeit
bestimmungen und nur 7 ohne solche zurückgclicfert wurden. Viele von diesen,
sämmtlich von einander unabhängigen Zeitbestimmungen, die theils von dem
Fahr-, theils von dem Stationspersonal herrühren, beziehen sich auf denselben
Ort und denselben Zug, wodurch zwar die Ausdehnung des Materials verringert,
aber dessen Sicherheit erhöht wird. Da bei der Plötzlichkeit und Vehemenz
des Phänomens sich dessen Ausbruch Allen, die ihn im Freien erlebten, tief
ins Gedächtnifs einprägte, so leisten uns die Eisenbahnzüge dabei die Dienste
eines ßegistrirapparats oder Chronograph?, der die Zeit in Raum umsetzt und
auf diese Weise einen solchen Grad von Genauigkeit und Zuverlässigkeit der
Zeitbestimmung bedingt, wie man ihn bei ad hoc vorgeuommenen Notirungen
nach der Taschenuhr nie erwarten kann.
Die in dem vorigen und diesem Abschnitte aufgeführten Beispiele dürften
genug Belege für diese Ansicht liefern. Um aber die Eioschlagung dieses so
gut bewährten Wege,* auch anderwärts bei ähnlichen Fällen zu fördern, wollen
wir den Wortlaut des Fragebogens hier anführen, welchen die See warte in
autographischer Vervielfältigung versandte; derselbe ist allerdings auf die
spcciellen Verhältnisse dieser Böe eingerichtet und nur mit Abänderung auf
andere zu verwenden. Er lautet:
Fragebogen, betreffend das Unwetter vom 9. August 1881.
(Man bittet, die Angaben über Ort und Zeit möglichst genau zu machen, erstero
in Kilometern Entfernung von den Bahnstationen, letztere in Minuten nach
Berliner Zeit.)
1. a) An welchem Orte traf der erste Windstofs den Zug, und wie weit
war der Zug gekommen, als das Wetter aufhörte? b) Um welche Zeit war
der Zug von der letzten Station abgegangen, resp. wie viel Verspätung oder
Verfrühung hatte der Zug?
2. Wie war das Wetter vorher? Hatte am gleichen Tage Gewitter
schon stattgefunden und wann? Wie lange Zeit konnte man das drohende
Gewölk vor dem Windstofs Aufziehen sehen? Ging dem Windstofs Regen vor
her oder ivar die aufgewirbelte Staubwolke das erste, und kam der Regen
danach ?
3. War der erste Stofs der stärkste, oder nahm der Wind nach dem
Losbrechen des Unwetters noch zu? Waren mehrere Stöfse bemerkbar? Aus
welcher Richtung kam der erste Stofs, und wie änderte sich die Richtung des
Windes während des Unwetters?
4. Ist Hagel gefallen? und wann? wie dicht und in wie grofsen Stücken?
Ist aus der Nachbarschaft Hagelfall bekannt geworden vom 9.?
5. Wie war das Wetter am Nachmittage, nach dem Unwetter? Blieb
es bewölkt? War es zwischen dem Unwetter und dem Sturm in der folgenden
Nacht ziemlich ruhig?
Diese Fragenliste, die gleich nach meiner Rückkehr von der Untersuchungs
reise nach Lübeck etc. auf Grund der Ergebnisse der letzteren entworfen wurde,
wurde durch die Fassung der meisten Antworten als zweckmäfsig erwiesen,
nur der Mangel einer speciell auf die elektrischen Entladungen und auf die
Stärke des Regens bezüglichen Frage hatte in einigen Fällen Unsicherheit in
dieser Beziehung zur Folge, die vermieden werden müfste; auch eine direkte Frage
über die Dauer des orkamnäfsigen Windes wäre vielleicht zweckmäfsig gewesen.
Der so nahe liegende Gedanke, die Eisenbahnen zur genauen Zeitbestimmung
solcher Phänomene zu benutzen, scheint noch nie angeregt worden zu sein und
kam auch mir erst gelegentlich der soeben erwähnten Dienstreise selbst, so dafs
er ein, meines Erachtens, an sich nicht unwichtiges Ergebnifs der letzteren war.
Natürlich läfst sich dieses Verfahren der nachträglichen Umfrago nur
bei gänzlich aus der Reihe des Gewöhnlichen heraustretenden Erscheinungen
anwenden, von denen eine grofse Zahl von Menschen in verschiedener Weise
intensiv getroffen werden. Zur Untersuchung schwächerer Phänomene, sowie
auch jener grofsartigen selbst aufserhalb der Zeit und des Ortes ihrer vollen