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des niedrigsten Druckes durch eine gerade Linie, so findet man, dafs zu dieser
Zeit (Mitternacht von November 12/13) diese Linie fast genau von Nord nach
Süd gerichtet ist. In den folgenden 12 Stunden, bis Mittag des 13. November,
nahm der Luftdruck im Norden von Schweden und in Norwegen noch zu, und
die Luftmassen wurden mehr und mehr nach SE fortbewegt; in dem südlichen
Theile der Ostsee hielt sich der Luftdruck ungefähr auf demselben mittleren
Stande von 760 mm, während das Minimum desselben ohne grofse Aenderung
des Barometerstandes sich von Wien bis zur böhmischen Grenze in die Nähe
von Eger fortpflanzte und die die Centra des hohen und niedrigen Luftdrucks
verbindende Linie von NNE nach SSW gerichtet war. Noch 12 Stunden später,
Mitternacht des 13./14. November, betrug der Luftdruck im nördlichen Schweden
und in Norwegen noch 780mm, die Luftmassen waren aber noch mehr nach SE
hingedrängt; das Centrum des niedrigsten Druckes hatte sieh von Eger nach
Amsterdam fortbewegt, wobei der Luftdruck bis 750 mm zunahm. Die Ver
bindungslinie der Centra des höchsten und niedrigsten Luftdrucks hatte die
Richtung NE—SW angenommen.“
„Hieraus folgt zur Evidenz, dafs während des Sturmes die ganze Atmo
sphäre sich „mit der Sonne“ bewegt hat, wobei die Luftmassen mit hohem
Druck beständig nach SE vorrückten, während diejenigen mit niedrigem Drucke
nach NW fortgeführt 'wurden. Diese Rotationsbewegung der Luft setzte sich
noch am 14. und 15. November fort. Mit dieser Drehung der Luftmassen der
gesammten Atmosphäre während der Dauer des Sturmes haben die Isobaren
und die Windrichtungen zu gleicher Zeit diese selbe „mit der Sonne“ sich
drehende Bewegung ausgeführt.“
„Weil nun infolge dieser Bewegung die Windrichtung während des Sturmes
von NE durch Ost nach SE sich drehte, drängte der Wind nach und nach das
WasSer aus dem Finnischen Meerhusen und aus den nördlichen Theilen der
Ostsee zunächst nach Süden und später immer mehr und mehr gegen die deutschen
und dänischen Küsten, wo es zu der aufserordentlichen Höhe stieg, kurz bevor
der Wind sich genug nach SE gedreht hatte, um dem Wasser einen freien
Abflufs durch den Sund, den Großen und den Kleinen Belt zuzulassen und da
durch das Ende der Ueberschwemmung herbeizuführen.“
Um die beobachteten thatsächlichen Veränderungen des Wasserstandes
mit denjenigen, welche der Sturm seinerseits hat hervorbringen können, genau
vergleichen zu können, hat Prof. Colding auf acht Karten in gröfserem Mafs-
stabe (als die acht oben erwähnten für Nord- und Mittel-Europa) diejenigen
Länder und deren Küsten, von welchen er Aufzeichnungen über die Verände
rungen der Höhe des Wasserstandes besafs, d. h. längs der Küsten der Ostsee
und Dänemarks, und in verschiedenen Farben, die Isobaren (schwarz), die
Windbahnen (roth) mit Angabe der Richtung der bewegten Luftmassen durch
Pfeile mit dem Winde und der Stärke durch Zahlen, endlich die zu der be
treffenden Zeit beobachteten Höhen des Wasserstandes (über dem mittleren) in
dänischen Fufs an den durch diese Zahlen (blau) bezeichneten Orten einge
zeichnet. Aus diesen letzteren Angaben hat er ferner die Höhen der Wasser
stände für eine grofse Anzahl von intermediären Punkten hergeleitet und durch
diese in Verbindung mit den Orten der thatsächlich beobachteten Wasserstände
auf der Oberfläche der Meere die Linien gleichen Wasserniveaus (bläu) gezogen.
Aus diesen drei Kurvensystemen leitet Prof. Colding (a. a. 0. pag.
301—304 und Rds. pag. 59—62) folgende Schlufssätze ab.
„Während die Richtung des Windes an allen Orten mit den Linien
gleichen Druckes derart in Beziehung steht, dafs die Windbahnen alle Isobaren
unter einem Winkel von ca 30° schneiden, zeigen die Kurven des Wasserniveaus
deutlich das Bestreben, die Windrichtung rechtwinklig zu schneiden, überall
da, wo die lokalen Verhältnisse es gestatten, dafs das Meer durch die Gewalt
des Windes emporgehoben wird, ohne dafs hierdurch ein Druck entsteht,
welcher einen Seitendruck hervorzubringen vermag. Wenn aber die lokalen
Verhältnisse keine derartigen sind, dafs die durch den Wind veranlafste Er
hebung des Meeres gezwungen wird, der Richtung des Windes zu folgen,
während das Meeresniveau eine geneigte Fläche bildet und das Wasser einen
seitlichen Abflufs hat, so können die Horizontal-Kurven des Niveaus nicht mehr
die Windrichtung unter rechtem Winkel schneiden, weil diese von der Richtung
ab weicht, in welcher sich die Meeresströmung bewegt.“