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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 62. Band Nr. 6
Nach dem beschriebenen Vorgang kann es in der Kaltluft erst mit der Zeit zur Ausbildung
einer oder mehrerer wetterwirksamer Kaltfronten kommen. Auch bei der untersuchten Wetterlage
war es so. In der Wetterkarte vom 9.12. 1937 08.00 Uhr ist auf der Rückseite wohl eine Linie mit
deutlichem Windsprung, beginnendem Druckanstieg und plötzlichem Temperaturfall vorhanden,
aber noch sind wenig wetterwirksame Elemente erkennbar. Diese bilden sich erst langsam aus, sind
aber bei der Zyklone vom 9. bis 10. 12. 1937 infolge Störungen durch Oberflächengestaltung nicht
als Idealtyp, wie er oben beschrieben wurde, erkennbar, sondern nur in einigen Abschnitten durch
Bewölkung oder Niederschläge nachweisbar.
4. Das Okkludieren. Die Betrachtungen über die Vorgänge innerhalb der Zyklone wären
unvollständig ohne Erörterung des Okklusionsvorganges, der auch wieder nach den Luftbahnen
gedeutet wird. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Luftmassen des warmen Sektors im
kernnahen Gebiet in den Höhen oberhalb 800 mb der Rückseite entstammen und infolge Absinkens
aus größeren Höhen herunter echte Warmluft Vortäuschen. Auf ihrem weiteren Wege gelangen die
Luftmassen oberhalb 800 mb oder besser noch oberhalb 700 mb unter fortwährendem Absinken
durch den warmen Sektor hindurch, um anschließend ein Bestandteil der Vorderseite zu werden.
Erst in größerer Entfernung vom Kern entstammen die Luftmassen des warmen Sektors tatsächlich
warmen Gebieten, wobei aber zu betonen ist, daß auch diese Luftmassen infolge ihrer hohen Ge
schwindigkeit durch den warmen Sektor hindurcheilen. Das bedeutet, daß auch der warme Sektor
ein Gebilde ist, das in der Höhe dauernd seine Massenzusammensetzung ändert.
Die Einschnürung des warmen Sektors geschieht so, daß die Kaltfront mit der Geschwindigkeit
der fortschreitenden Labilisierung, das heißt etwa mit dem Gradientwind in 900 mb zieht, während
die Warmfront etw r a mit der Geschwindigkeit des Bodendruckfeldes wandert. Mit der Zeit holt die
Kaltfront die Warmfront ein, womit der Okklusionsvorgang vollzogen ist.
Nach erfolgtem Okkludieren wird zwar in vielen Fällen über und hinter der Okklusion in
größerer Höhe Warmluft äquipotentiell nachgewiesen, aber es muß betont werden, daß es sich
nicht um Warmluft dem Ursprünge nach handelt, sondern um abgesunkene und erwärmte Rück
seitenluft. Die Vertikalbewegungen spielen bei diesem Vorgang die Hauptrolle. Sie wirken im
warmen Sektor und hinterher in der Warmluftschale temperaturausgleichend und luftmassen
gestaltend.
Nach dieser Darstellung ist das Okkludieren ein Vorgang, bei welchem die landläufig bekann
ten Phasen (warmer Sektor, seine Einschnürung und das Ahheben) alle vorhanden sind. Der Unter
schied gegenüber früheren Anschauungen besteht aber darin, daß in der Warmluft in einem druck
festen Koordinatensystem „alles fließt“, und zwar sowohl horizontal, als auch vertikal. Es besteht
dabei im kernnahen Teil des warmen Sektors ein dauernder Wettstreit zwischen der Abkühlung, die
durch das horizontale Voreilen der Kaltluft hervorgerufen wird, und dem Absinken, das für
dauernde Erwärmung sorgt. Die Erwärmung ist dabei wiederum so zu verstehen daß die Luftmassen
der Rückseite in großer Höhe äquipotentiell 6—10° wärmer sind als in mittleren Schichten und daher
nach erfolgtem Absinken in einem Vertikalschnilt eine starke Zunahme der äquipotentiellen Tem
peratur anzeigen. In der Labilisierungsschicht bis zu 800 mb behält von Anfang an die Abkühlung
die Oberhand, während in höheren Schichten die Abkühlung durch das Absinken wieder ausge
glichen und sogar übertroffen wird. Erst wenn die Luftmassen von den kälteren Teilen der Rück
seite hertransportiert werden, reicht die Erwärmung durch Absinken nicht mehr aus, und es setzt
sich dann von der Labilisierungsschicht ausgehend auch in höheren Schichten die Abkühlung durch.
Es vollzieht sich im äquipotentiellen Temperaturfeld eine Abkühlung von unten nach oben, das
sogenannte „Abheben“ des warmen Sektors, wobei allerdings die einzelnen Luftteilchen oberhalb
800 mb eine „abwärts“ gerichtete Komponente aufweisen, wie die ermittelten Vertikalbewegungen
ergaben.
Im Einzelfall ist natürlich der Okklusionsvorgang gewissen Abänderungen unterworfen. Es
wurde bei der eben gegebenen Darstellung zunächst auf die alte Auffassung des Okkludierens Be-