Hans Klans Meyer: Luftmassenbewegurig und Luftmassenumwandlung in einer rasch ziehenden Zyklone
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Einleitung
Solange es eine synoptische Meteorologie gibt, haben die rasch ziehenden Zyklonen ein beson
deres Interesse hervorgemfen. In zahllosen Abhandlungen sind Einzelfälle untersucht und viele
Theorien über ihr Entstehen und Vergehen aufgestellt worden. Während anfangs nur die Boden
wetterkarte zur Bearbeitung vorlag und bis vor etwa 15 Jahren den Hauptanteil der Untersuchun
gen ausinachte, spielen in neuerer Zeit aerologische Bearbeitungen eine überwiegende Rolle. Der
Grund hierfür liegt auf der Hand. Das Beobachtungsnetz der Bodenstationen ist schon seit längerer
Zeit in genügender Dichte vorhanden, sodaß durch Bearbeitungen der Bodenkarte heute und in
der Zukunft neue umwälzende Ergebnisse nicht mehr zu erwarten sind. Erst die Erforschung der
freien Atmosphäre brachte wieder neue Anregungen und Probleme, die znm großen Teil auch
heute noch ungelöst sind.
In einer ganz besonders enlwicklungsfreudigen Zeit befindet sich die heutige Aerologie. Dabei
gehen synoptischer Aufschwung und wissenschaftliche Erkenntnis Hand in Hand. Bei Beginn
dieser Arbeit (Januar 1938) mußte z. B. das Vorhandensein von etwa 30 Flugzeugaufstiegen und
Radiosonden pro Tag als besonders günstig angesehen werden, bei der Beendigung hingegen war
diese Zahl schon eine Selbstverständlichkeit.
Wetterlage: Empfindliche Lücken weist allerdings das aerologische Netz immer noch über den
Meeresgebieten und in Nordeuropa auf. Wenn daher eine Wetterlage eingehend aerologisch unter
sucht werden soll, so darf sie nach Möglichkeit diese Gebiete nicht umfassen. Ein in dieser Beziehung
äußerst günstiger Fall ist die Zyklone vom 8.—12. 12. 1937. Vor der portugiesischen Küste entstan
den bewegt sich der Zyklonenkern in nordöstlicher Richtung von Südfrankreich zur Ostsee, also
gerade durch ein Gebiet, wo aerologisches Material in genügender Zahl vorhanden ist. Dieser Vor
teil wird allerdings etwas abgeschwächt durch die Tatsache, daß die Luftmassen auf der Südseite
der Zyklone die Alpen und die deutschen Mittelgebirge überqueren müssen, wodurch Vertikalbe
wegungen erzwungen werden, die normalerweise nicht auftreten. Die Bergeinflüsse auf das Wetter
sind indes aus anderen Bearbeitungen hinlänglich bekannt, sodaß dieser Nachteil in Kauf ge
nommen wmrde und die erwähnte Wetterlage für eine eingehende aerologische Bearbeitung geeignet
erschien. Wie weit dabei die normalen Strömungsverhältnisse durch Gebirge gestört werden, wird
bei den gewonnenen Ergebnissen noch mehrfach besprochen.
Die untersuchte Wetterlage ist durch folgende Eigenarten gekennzeichnet. Eine ausgeprägte
Frontalzone liegt vom 8.—12. 12. 1937 über Südeuropa und erstreckt sich in einer Breite von
etwa 1500 km von der nordafrikanisch-portugiesischen Küste zum Schwarzen Meer. Vor der portu
giesischen Küste entsteht an der Frontalzone, die sich beispielsweise in der absoluten Topographie
500 mb vom 8. 12. 1937 08.00 Uhr (Karte 8) besonders deutlich zeigt, ein Tiefdruckausläufer, der
am 8. 12. 1937 um 08.00 Uhr zum ersten Mal in der Bodenkarte erscheint (Karte 1). Bis zum
9. 12. 1937 08.00 Uhr hat sich der Ausläufer unter Vertiefung zu einer ausgeprägten Zyklone ent
wickelt und ist dabei über Spanien nach Südfrankreich gezogen (Karte 2). Vom 9. 12. 1937 bis
zum 10. 12. 1937 08.00 Uhr bewegt sich der Zyklonenkern bei etwa gleichbleibendem Druck am
Boden von Lyon bis nach Swinemünde, um am folgenden Tage unter Verflachung bis nach Estland
weiter zu ziehen (Karten 2—7).
Material: Das zur Verfügung stehende aerologische Material setzt sich zusammen aus Berg-
stationen, Höhenwinden, Flugzeugaufstiegen und Radiosonden. Während die Bergstationen und
Höhenwinde nur Handwerkszeug sind für die Anfertigung der Höhenkarten, werden die Flugzeug
aufstiege und Radiosonden einer eingehenden Betrachtung unterzogen, und zwar insbesondere die