Karl Gripp: Entstehung und künftige Entwicklung der Deutschen Bucht
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ohne Einfluß auf das Vordringen eines transgredierenden Meeres. Das NW—SO streichende ost
friesische Geestgebiet wirkte daher dem andringenden Meere gegenüber als eine geschlossene Land
masse. Sie konnte nicht zerstückelt, vielmehr nur an der Schmalseite abgetragen werden.
Das alte Westland Nordfrieslands war zwar auch ursprünglich, wie die ostfriesische Geest, ein
in südöstlicher Richtung streichender, mit Nord-Hannover landfester Geesthang. Aber dieser wurde
zunächst von den Schmelzwasserrinnen der Elbe und Eider im Süden zerstückelt und dann wahr
scheinlich durch weitere Verbindungstäler zwischen nordfriesischem Sammelsandur und Elbe-
Urstromtal weiter zerschnitten. Als das alluviale Meer vordrang, fand es hier keine geschlossene,
sondern eine schon tief zertalte Landmasse vor. Es konnte daher von Vorne, von den Seiten und
sogar vom Rücken, aus dem überfluteten Eem-Tal-Sammelsandur her, die Reste des Geestlandes an
greifen. Hinzu kommt, daß das Gebiet den Südwest- und Nordwest-Stürmen voll ausgesetzt ist. Die
Zerstörung ging daher dort so weit, daß nur 3 Reste des alten Geestlandes, die diluvialen Kerne
von Sylt, Föhr und Amrum sich bis heute gehalten haben. Alle anderen Inseln zwischen Elbe und
Blaavandshuk sind alluviale Neubildungen.
5. Die Versandung der Flußtäler
Es erhebt sich jetzt zunächst die Frage: wie wirkte sich das Ansteigen des Meeresspiegels auf
die Flußtäler aus, zumal diese infolge der Tide in wechselnder Richtung vom Wasser durchströmt
wurden. Wir legen der Betrachtung das Gebiet der Nieder-Elbe zugrunde, da deren Mündungs
gebiet von den deutschen Nordseezuflüssen geologisch am besten bekannt sein dürfte.
Da der Nordseespiegel, wie erwähnt, anfangs schnell anstieg, muß das Meer als schmaler, aber
tiefer Arm weit landwärts gegriffen haben. Der vor Beginn des Wasseranstiegs von dem Elbfluß zu
dem fernen Nordseebecken hin gefrachtete Sand mußte jetzt im Elbtal liegen bleiben, und zwar
dort, wo die Strömung durch Erweiterung des Bettes erlahmte und somit die Transportkraft
schwand. In der Tat finden sich unter den Vierlanden 8—10 und bei Hamburg 10—22 m mächtige
Elbsande mit dünnen Kieslagen und viel Holz darin. Bei Baggerungen werden nicht selten
Hirschhorn-Hacken (Geradbeile) daraus gefördert. Wichtig sind die beim Bau des Elbtunnels zu
Hamburg bei — 12 bis 13 m NN und gar bei — 21,5 m NN in diesen Sanden gefundenen Hirsch
horn-Artefakte. Die Geräte passen gut in die mesolithische Zeit, in die jene Meerestransgression
fällt. Die große Mächtigkeit jener Flußsande kündet von dem Ausmaß, in dem damals das Innen
ende der Mündungstrichter-Meeresbuchten als Sandfang diente.
6. Die Herkunft des Sandes in den inneren Teilen der Deutschen Bucht
Es liegt nach den vorhergehenden Ausführungen nahe, sich vorzustellen, daß der Elbtal-
Meeresarm allmählich weiter und weiter von Flußsand angefüllt wurde und daß solcher in späteren
Stadien bis in die Randgebiete des Meeres verfrachtet wurde. Ich habe selber diese Vorstellung
vertreten (ungedruckt, von E. Dittmer erwähnt). Heute aber wissen wir durch die Unter
suchungen niederländischer Forscher, daß diese Anschauung nicht zutrifft. V a n V e e n (1936)
und R. D. C r o m m e I i n und A. Maaskant (1940) haben nachgewiesen, daß aus Rhein, Ems,
Weser und Elbe kein Sand in die See hinaus verfrachtet wird und daß vielmehr aus der See Sand
in erheblichem Ausmaß in die Flußmündung gelangt. Abb. 8 zeigt nach v a n V e e n die Vertei
lung von See- und Flußsand im Rheinmündungsgebiet. Der Grund des Erlahmens der Flußsand
verfrachtung ist das Schwinden der Tragkraft infolge Bettverbreiterung = Entbündelung. Wenn
der Umfang der Sandzufuhr und die Zeit seit der Eintiefung nicht ausgereicht haben, um das Fluß
bett bis an das Meer hin auszufüllen, so bleibt ein sandarmes Gebiet im Flußmündungsbereich.
Dieser sandarme Bezirk reicht aber nicht bis an die See, sondern, wie v a n V e e n (1936 S. 22—24)
ausführte, wandert von See her ein anderer Sand um 20 und mehr km in den Rhein- und Maas-
Mündungsarmen aufwärts. V a n V e e n kennt zwei Ursachen hierfür. Er schreibt S. 216: