Hans Waiden: Über eine Sturmdepression im Tyrrhenischen Meer
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Tatsächlich ist die lokale Depression von 1004 mb am nächsten Morgen (9. April, Karte 3) bis auf einen
unbedeutenden Ausläufer verschwunden. Indessen hat sich aber über der Mitte des Tyrrhenischen Meeres
ein Tief von 1010 mb herausgebildet. Von dem durch den Zustrom der Kaltluft hervorgerufenen kräftigen
Druckanstig sind nämlich nur Oberitalien, der größte Teil des Adriabereiches und in geringerem Maße das
westliche Mittelmeer erfaßt worden. Da gleichzeitig über Italien in Höhen von etwa 5000 m der Luftdruck
fällt, ergibt sich für die Zeit vom 8. zum 9. morgens für das Tyrrhenische Meer neben einem absoluten ein
bedeutend stärkerer relativer Druckfall. Es wird sich zeigen, daß sich beim Einbruch der bedeutend wirk
sameren kontinentalen Kaltluft an derselben Stelle ein Sturmtief bildet.
Bereits um 14 Uhr, also 6 Stunden später, hat sich das Bild der Wetterkarte (Karte 4) in überraschender
Weise geändert. Als Folge eines Druckfalles südlich der Alpen, dessen Entstehung schon Seite 15 auseinander-
gesetzt worden ist, kommt es über Norditalien erneut zur Bildung von Depressionen, deren Minimum im Kern
um 19 Uhr bereits 1008 bzw. 1010 mb beträgt. Auch vor der dalmatinischen Küste liegt um 19 Uhr, als sich
gerade der Einbruch der kontinentalen Kaltluftmasse in die Adria vollzieht, ein kleines Tief von 1011 mb.
Die kleinen Tiefdruckgebiete, die um 14 und 19 Uhr an der Ostküste von Korsika und an der Südostecke
von Sardinien liegen, sind vielleicht ebenfalls derartig „in Lee“ entstandene Gebilde (Karten 4 und 5).
In der Nacht setzt südlich der Alpen kräftiger Druckanstieg ein (Karte 16c), da die kontinentale Kaltluft
Norditalien und den Adriabezirk überströmt; infolgedessen beginnt sich über dem Tyrrhenischen Meer eine
Depression auszubilden. Nur westlich von Korsika bleibt ein schwächerer Tiefkern stets erhalten, der aller
dings nach Ausbildung der Sturmzyklone über dem Tyrrhenischen Meer kaum noch hervortreten wird.
Die dreistündige Tendenzkarte vom 10. April, 8 Uhr (Karte 16d), zeigt besonders deutlidi den Druck
fall zwischen Mittelitalien und Sizilien und (mit geringeren Beträgen) südlich von Sizilien im Gegensatz zu
verbreitetem Druckanstieg ringsum. So wird am Morgen des 10. April das Isobarenbild über dem mittleren
Mittelmeer bereits beherrscht durch ein von der 1010-mb-Isobare umschlossenes Tief, dessen Gradienten
sich seit dem Vortage erheblich verstärkt haben und über Mittelitalien 6,2 mb (auf 111 km) erreichen (Karte 6).
Am Tage des 10. April setzt sich diese Entwicklung fort (Karten 7 u. 8), d. h. die Depression unterliegt
noch einer geringen Vertiefung, und die Druckgradienten verschärfen sich weiter. Um 14 und 17 Uhr tritt die
asymmetrische Temperaturverteilung besonders klar in Erscheinung:
14 Uhr: Neapel 11*, Stromboli 19* bei etwa gleichbleibender relativer Feuchte,
17 Uhr: Neapel 7°, Palermo 16°, Syrakus 18°.
Der Verteilung der Temperatur entspricht die allerdings nur sehr langsam erfolgende Verlagerung der
Depression nach Südosten in Richtung der Straße von Messina.
Gegen ein weiteres Vordringen nach Südosten spricht ein kleines Steiggebiet auf der dreistündigen
Tendenzenkarte vom 10. April, 19 Uhr (Karte 16f), über dem Seebereich der Straße von Messina. Allerdings
liegt am 11. April, 2 Uhr, in diesem Bezirk bereits wieder ein Druckfall von etwa 1 mb in drei Stunden. So
überrascht einigermaßen die Position des Minimums am 11. April, 8 Uhr, im Nordwesten der Insel Ustica
(Karte 9).
Bei dem Versuch, den Vorgang der scheinbaren Westwärts-Verlagerung der Depression über dem
Tyrrhenischen Meer zu erklären, sei an einen kleinen Tiefkern erinnert, der am 10. April, 19 Uhr, mit etwa
1007 mb südwestlich von Cagliari liegt (Karte 8). Diese Störung hat sich wahrscheinlich „im Lee“ von Sar
dinien gebildet, da zu dieser Zeit über diesem Bezirk die Kaltluft eintrifft, wie auch ein kräftiger Druckanstieg
über dem Seegebiet zwischen Balearen und Korsika andeutet. Die in der Umgebung des Tiefs entstehende
asymmetrische Temperaturverteilung führt der Depression neue Energie zu. Sie wandert nun nach Osten ab.
Sie ist auf der nicht ganz vollständigen Wetterkarte vom 11. April, 8 Uhr, allerdings nur schwach angedeutet
zwischen Kap Bon und Marsala (Karte 9).
Die Kaltluft ist indessen mit Nordwestwinden bis zum Macuin-Gebirge (höchste Erhebung 637 m)
östlich von Tunis gelangt. Auch hier wird sie kurze Zeit gestaut, so daß infolge der Ausbildung eines kleinen
Föhntiefs zwischen 8 und 11 Uhr Druckfall über Pantelleria verzeichnet wird (Karte 16g).
Um 11 Uhr ist deutlich zu erkennen, daß die Gesamtdepression aus zwei einzelnen Teilkernen besteht.
Die für die Zeit vor 8 Uhr angenommene Verlagerung des ursprünglichen Tiefs (A) nach Westen dürfte also
auf das Hinzukommen der neuen, im Süden von Sardinien entstandenen Minima zurückzuführen sein.
Während (A) festliegt, bewegt sich die neue Störung (B) ostwärts und befindet sich 14 und 17 Uhr
im Westen dicht bei Trapani, um 19 Uhr im Raum zwisdien Trapani und Marsala (Karten 10 u. 11).
Inzwischen haben sich entsprechend der weiteren Vertiefung der Zyklone die Gradienten über Mittel
italien noch etwas verschärft. Über dem südlichen Teil des Adriatischen Meeres beginnt sich ein Tiefaus
läufer zu bilden.