Gerhard Neumann: Eigenschwingungen der Ostsee
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Die Schwingungsdauer der einknotigen Schwingung stimmt wieder sehr gut mit der nach der Defantschen
Methode berechneten überein, während die der zweiknotigen um etwa 9 %\ kleiner ausfällt. Wir fassen die
Ergebnisse der theoretischen Berechnung noch einmal kurz in der folgenden Tabelle zusammen:
System
Begrenzung
im Westen
Einknotige Schwingung
Zweiknotige Schwingung
Dreiknotige
Schwingung
n. Hidaka
n. Defant
n. Hidaka
n. Defant
n. Hidaka
Ostsee — Finn. Meerbusen ... j
Fehmarn
27.5
27.5
19.3
18.1-
11.3
Assens
29.5
29.3
24.3
22.0
13.4
Ostsee — Finn. — Botin. Meerb. j
Fehmarn
39.1
—
—
_
Assens
39.7
—
—
—
—
Bei Verlängerung des Schwingungsbeckens nach Westen werden also die Eigenperioden größer. Wenn wir
die Beobachtungsergebnisse mit der Theorie vergleichen, dann finden wir, sowohl in der Periodendauer als
auch in der Lage der Knotenlinien eine gute Übereinstimmung bei einer Begrenzung des Schwingungsbeckens
im Fehmarn Belt. Die Annahme, daß das Ostseebecken beim Fehmarn Belt als vollständig abgeschlossen an
gesehen werden kann, genügt jedoch nicht. Es bleibt dann immer noch die Frage zu beantworten, warum in
der Mecklenburger und Lübecker Bucht nicht größere Amplituden beobachtet werden, wie es nach der Theorie
sein müßte, wenn die Wassermasse ungehindert bis zum Fehmarn Belt durchschwingen würde. Ein voll
ständiger Abschluß bei der Darsser Schwelle kann auch nicht angenommen werden, weil die Schwingung
noch in Marienleuchte und auch in der Kieler Bucht nachgewiesen werden kann. Die Frage, wieweit die
Beltsee am Schwingungsvorgang der Ostsee beteiligt ist, ist von so großer Bedeutung, daß im folgenden
Abschnitt näher darauf eingegangen werden soll.
IV. DIE BETEILIGUNG DER BELTSEE AM SCHWINGUNGSVORGANG UND DIE DÄMPFUNG DER
EIGENSCHWINGUNGEN IN DER OSTSEE.
Zur Beltsee rechnet man nicht nur das Gebiet der Belte, sondern auch die Kieler Bucht, den Fehmarn Belt,
die Mecklenburger Bucht und die Kadet Rinne bis zur Darsser Schwelle. Die Darsser Schwelle, die von Falster
nach der Darss-Spitze hinüberführt und eine Satteltiefe von nur 18 m hat, bildet die erste starke Abriegelung
des Ostseebeckens im Westen, und ihre entscheidende Bedeutung für die Hydrographie der Ostsee ist allgemein
bekannt. Die Kieler und die Mecklenburger Bucht sind durch eine zweite starke Einengung, im Fehmarn Belt
etwa unter 11 # östlicher Länge bei der Untiefe öjet voneinander getrennt (vgl. die Tiefenkarte der Beltsee
nach Spethmann 1 ). Wie stark die Einengung des Seebeckens an diesen Stellen ist, geht aus Tabelle 4 hervor,
wenn wir die Flächen der Querschnitte 4 (in der Nähe der Darsser Schwelle) und IV (im Fehmarn Belt) mit
den Querschnittsflächen im Ostseebassin oder mit der mittleren Querschnittsfläche des Ostseebeckens
(12,56 km 2 ) vergleichen. Die Querschnittsflächen 4 und IV betragen nur etwa 1 / 3 o bis V« der Fläche des
mittleren Ostseequerschnittes. Daß derartig starke Querschnittsverengungen von großem Einfluß auf den
Schwingungsvorgang sein müssen, ist von vornherein klar. Es fragt sich nur: Kann man das Ostseebecken an einer
dieser Querschnittsverengungen als abgeschlossen betrachten? Und wo müßte man in diesem Fall den Ab
schluß annehmen? Genügt vielleicht schon die Einengung bei der Darsser Schwelle, um eine direkte Beteiligung
der Mecklenburger Bucht am Schwingungsvorgang der Ostsee zu verhindern?
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal das Bild, das sich nach der D e f a n t sehen Restmethode für die
einknotige Schwingung zwischen dem Kleinen Belt und dem Finnischen Meerbusen ergeben hat (s. Tabelle 7a).
Die Amplituden wachsen von der Knotenlinie westwärts ganz allmählich an und erreichen beim Querschnitt 5
Beträge, die etwa halb so groß sind wie die am östlichsten Ende des Finnischen Meerbusens. Von Querschnitt 4
ab nehmen die Amplituden aber sehr schnell zu, und schon zwischen den Querschnitten IV und III sind die
Wasserstandsschwankungen doppelt so groß wie bei Querschnitt 4. Die Zunahme der Amplituden schreitet
bis zum Kleinen Belt weiter fort, wo man theoretisch mit Hubhöhen rechnen müßte, die etwa dreimal so
groß sind wie die bei der Darsser Schwelle. Auch die horizontalen Wasserversetzungen sind nach der Theorie
A ) H. Spethmann: Tiefenkarte der Beltsee. Peterm. Mitt. 57. Jahrg., November-Heft 1911.