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Full text: 61, 1941

Gerhard Neumann: Eigenschwingungen der Ostsee 
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Die Wasserstandsangaben von Schweden, Finnland, Estland und Lettland sind für jede vierte Stunde ver 
öffentlicht und wurden auch so für die Rekonstruktion der Kurven verwendet. Für die dänischen Stationen 
standen stündliche Werte zur Verfügung, und für die deutschen lagen die Pegelbögen des Geodätischen Instituts 
im Original vor. 
Schon eine grobe theoretische Schätzung ergibt, daß die Eigenschwingungen eines Sees von der Größe und 
Tiefe der Ostsee nur Perioden haben können, die viele Stunden, sogar mehr als einen Tag betragen. Zu 
sammenhängende Schwingungsserien umfassen also mehrere Tage, und man wird sich von vornherein darüber 
klar sein müssen, daß längere Reihen von Schwingungen nicht häufig zu beobachten sein werden. Es ist 
bekannt, daß in der Ostsee die vom Winde verursachten Wasserstandsänderungen beträchtliche Größe an 
nehmen können und daß diese unperiodischen Schwankungen ebenso veränderlich sind wie ihre Ursache selbst, 
die Winde. Erzwungene Schwingungen und überlagerte Teilschwingungen kleinerer und größerer Teile der 
Ostsee ergeben zusammen mit den lokalen, aperiodischen Störungen der Meeresoberfläche (Windstau, statische 
Luftdruckeffekte) und den freien Schwingungen ein sehr kompliziertes Bewegungssystem, das in den meisten 
Fällen nicht leicht zu durchblicken sein wird. Sicher werden die Eigenschwingungen der Ostsee häufiger sein, 
als man beim ersten Anblick der Wasserstandskurven annehmen möchte. Doch nur in wenigen Fällen sind 
sie so rein und ungestört ausgebildet, daß man unmittelbar aus den Wasserstandsschwankungen die Eigen 
schwingungen erkennen kann. Vielleicht liegt hierin auch der tiefere Grund, weshalb die Eigenschwingungen 
der Ostsee bisher in den Pegelregistrierungen nicht klar erkannt wurden und so lange unaufgedeckt blieben. 
Bei einem See mit ausgesprochener Längsrichtung 1 ), wie die Ostsee, wird man die stärksten vertikalen 
Wasserbewegungen an den Enden der Längsachse annehmen müssen. Für Koivisto am östlichsten Ende des 
Finnischen Meerbusens und für Ystad in Südschweden wurden nach den Beobachtungen von 1935 und 1936 
die Wasserstandskurven für jeden Monat konstruiert und miteinander verglichen. Wie zu erwarten war, 
traten die größten Schwankungen in den Herbst- und Wintermonaten auf. Bei ruhigem Zustand der Atmo 
sphäre, besonders im Sommer, wiesen die Kurven deutlich auf die Existenz schwacher Gezeitenerscheinungen 
hin. In den stark gestörten Herbst- und Wintermonaten konnte festgestellt werden, daß fast jeder größeren 
Niveauänderung an einem Ende der Ostsee am anderen Ende eine entgegengesetzte entsprach. (Vergl. Abb. 1, 
Anhangs-Tafel, die einen Ausschnitt aus dem Beobachtungsmaterial für 1936 darstellt.) Obwohl diese See 
spiegelschwankungen in den meisten Fällen unregelmäßig erscheinen, lassen sich doch eine ganze Reihe zu 
sammenhängender, regelmäßiger Schwingungen mit größeren Amplituden nadhweisen, bei denen es sich mit 
großer Wahrscheinlichkeit um reine Eigenschwingungen handelt. Diese bei besonders günstigen meteorolo 
gischen Bedingungen gut ausgebildeten Schwingungskurven geben die Möglichkeit, die Eigenschwingungen der 
Ostsee an Einzelfällen zu studieren. Die Darstellung und Diskussion einzelner Schwingungsfälle wurde 
schon deshalb zum Gegenstand der Untersuchung gemacht, weil dabei auf die physikalische Natur des Schwin 
gungsvorganges, besonders auf die anregenden Ursachen, näher eingegangen werden kann. Bevor wir aber an 
die Untersuchung einzelner Fälle herangehen, mögen kurz einige statistische Angaben vorausgeschickt werden, 
die uns eine Vorstellung von den zu erwartenden Periodenlängen geben sollen. 
Zur Bestimmung der Schwingungsperioden wurden nur solche Teile der Wasserstandskurven benutzt, in 
denen eine Schwingungsserie von wenigstens zwei Maxima und zwei Minima zu erkennen war; ausgeschlossen 
wurden diejenigen Wasserstandsschwankungen, deren Doppelamplitude am Anfang der Serie kleiner war als 
10 cm. Die Periodenlänge konnte näherungsweise aus den Abständen korrespondierender markanter Phasen 
berechnet werden. Als bester Wert wurde derjenige angesehen, der auf der Zeitachse aufgetragen, am längsten 
mit den korrespondierenden Phasen koinzidiert, oder es wurde die Zeitspanne zwischen zwei möglichst weit 
voneinander entfernten Extremen durch die Anzahl der dazwischenliegenden Perioden dividiert. Daß die Er 
mittlung der Periodenlänge auf diese Weise einer gewissen Willkür unterliegt, ist nicht zu vermeiden. 
Bestünden die Schwingungsserien der Ostsee aus einer Reihe von zwanzig, dreißig und mehr Schwingungen, 
wie bei den meisten kleineren Seen mit kürzeren Perioden, in denen die Seiches untersucht wurden, dann wäre 
es ein leichtes, die Schwingungsdauer aus der Länge der Serie und Anzahl der Schwingungen zu bestimmen und 
schließlich aus einer größeren Zahl solcher Perioden die mittlere Schwingungsdauer der betreffenden Seiche zu 
finden. Bei den langen Schwingungen der Ostsee brechen die Reihen infolge unperiodischer Wasserstands 
schwankungen oft sehr plötzlich ab oder sind so stark gedämpft, daß selten mehr als drei oder vier Schwin 
gungen zusammenhängend beobachtet werden können. 
') Als Schwingungsbecken ist hier das System Ostsee — Finnischer Meerbusen anzusehen.
	        
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