Fr. Model : Pegelstationen des Kriegsmarine-Pegclnetzes der Ostsee. 29
Tücken» indem etwa das „Steigrelais“ des Arbeitsstrompegels kräftiger anzog als das „Fall
relais“. Alle diese Unstimmigkeiten sind jetzt dank der Mitarbeit der Firmen Ott und Fueß
endgültig überwunden, bereiteten aber in den ersten Jahren folgende grundsätzliche Schwie
rigkeiten:
Die elektrischen Pegel registrieren nicht den absoluten Wasserstand, sondern nur dessen
Änderung; sie arbeiten, wenn das Wasser steigt oder fällt. Fiel auf längere oder kürzere Zeit
die Aufzeichnung aus, so war der Nullpunkt der Registrierung unwiderruflich verloren. Im
kleinen tritt diese Unsicherheit bereits beim Registrierbogenwechsel insofern auf. als, besonders
beim Arbeitsstrompegel, die Höhe der Schreibfeder versehentlich verstellt werden kann. Wird
der Geber des Ruhstrompegels nicht genau in die Waage gestellt (er besitzt eine Libelle, siehe
Abb. 8, Tafel 4), so spricht er auf „Steigen“ eher an als auf „F'allen“ oder umgekehrt, da die
Pendelhemmung dann ungleichförmig arbeitet; es ist nicht von der Hand zu weisen, daß da
durch im Laufe der Zeit, vor allem bei häufigen Wasserstandsschwankungen infolge kurz-
periodischer Seiches, eine geringe Nullpunktsänderung statthaben kann. In diesen Fällen ge
stattet die mechanische Registrierung durch optischen Vergleich der Pegelbogen am Leuchtpult,
den Nullpunkt der elektrischen Registrierung zu kontrollieren bzw. wiederzufinden. Auf diese
Weise wurde bis zum Jahre 1939 die Auswertung der Wasserstandsaufzeichnungen gesichert;
seit 1940 erfolgt die Kontrolle durch absoluten Vergleich der Höhe des Wasserstandes, bezogen
auf N.N. Daß der Anschluß der Kriegsmarinepegel an das Reichshöhennetz so lange auf sich
warten ließ, hängt mit folgender Entwicklung zusammen:
Eine Pegel latte am Brunnen anzubringen und durch deren Ablesung und Vergleich mit
der Registrierkurve einen gesicherten Nullpunkt zu erhalten, wurde überhaupt nicht in Er
wägung gezogen. Es ist auch völlig unmöglich, in offener See oder in der Brandungszone
regelmäßig einen Lattenpegel abzulesen, da das Meer stets unruhig ist. Selbst an den Stellen
der Ostseeküste, an denen eine vereinfachte Aufstellung des mechanischen Registrierpegels
möglich war, z. B. an der Seebrücke in Heringsdorf (siehe S. 27), und der zugehörige Latten
pegel außerordentlich geschützt auf gestellt werden konnte, sind die laufenden Ablesungen mit
einem mittleren Fehler von i 5 cm behaftet 5 ). Wieder auf Vorschlag'von Regierungsbaurat
Dipl-Ing Wilcke wurden deshalb bereits im Juni 1937 sogenannte Bandmaßpegel beschafft.
Bandmaßpegel. Ein Bandmaßpegel besteht aus einem Bandmaß, das mit Hilfe von
Schwimmer und Gegengewicht über eine Rolle bewegt wird. Gegen Seegang ist das Gerät ge
schützt, bei der ersten Aufstellung durch einen einfachen Holzkasten, der nur ein Loch besaß,
durch das das Wasser gedämpft eintreten konnte. Das Bandmaß wird an einer Mire abgelesen.
Die später verwendeten Bandmaßpegel werden weiter unten beschrieben.
Der erste dieser Bandmaßpegel wurde an der Mole von Bülk aufgestellt und war in kurzer
Zeit festgerostet. Die geringe Betriebsdauer hat aber genügt, die Unzulänglichkeit dieser Auf
stellung klar erkennen zu lassen. Aus Bülk, Schleimünde und Cranz liegen Beobachtungen vor,
die eindeutig dartun, daß bei auf- und ablandigen Winden der Wasserstand an der Küste bereits
um Zentimeter höher oder niedriger steht als in dem wenige hundert Meter entfernten Pegel
brunnen. Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung dieser Erscheinung, die noch einer
genaueren Untersuchung bedarf, ist durch diesen Effekt die Verwendung von am Strande
stehenden Bandmaßpegeln zur Kontrolle der Wasserstände im Brunnen nicht geeignet. Außer
dem aber läßt sich in den meisten Fällen ein Bandmaßpegel am Strande nicht aufstellen, da
dabei die gleichen Schwierigkeiten wie beim Aufstellen eines Schreibpegels auftreten (siehe
S. 13). Versuchsweise wurde ein Bandmaßpegel in Westermarkelsdorf im Pegelbrunnen auf
gestellt, ein Schutz gegen Seegang war in diesem Falle überflüssig, und das Bandmaß hängt im
Brunnen frei herab. Doch kann der Pegelwärter nicht regelmäßig das Gerät erreichen, um cs
abzulesen. Es mußte deshalb ein Bandmaßpegel an der Außenseite des Pegelbrunnens so an
gebracht werden, daß er täglich mit einem Fernglas abgelesen werden kann. Eine genaue Be
schreibung der Anlage befindet sich auf Seite 36 ff., hier seien nur zum Verständnis folgende
Einzelheiten angeführt: Der Kopf des Bandmaßpegels ist größer als der der bisher benutzten,
5 ) Berechnungen aus den täglichen Ablesungen in Heringsdorf im Jahre 1939 (siehe S. 48).