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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. -— 60. Bd. Nr. 1.
reichende Abkühlung gesorgt wird. Ein Sonnenstich dagegen kann ohne Wärmestauung, z. B. im Hochgebirge
längst nach Beendigung einer Hochtour, eintreten”).
Die fast das ganze Jahr hindurch um die Mittagszeit steil einfallenden Strahlen der tropischen Sonne
stechen stärker als in unsern Breiten. Die Strahlung wird, wie aus Schilderungen der Tropen immer wieder
hervorgeht, zum mindesten in der Zeit von 10 bis 15 Uhr als lästig empfunden. Früher war man allgemein
von der Gefährlichkeit dieser starken Strahlung überzeugt. So sagt D orno 13 14 ): „Aus Erfahrung wissen wir,
daß der Europäer in den Tropen nicht ungestraft auch nur minutenweise unbedeckten Hauptes sich der
Sonne aussetzen darf; der Hitzschlag ist die unmittelbare Folge.“ Castens 15 * ) hält diese Auffassung für
stark übertrieben und für viele tropische Gebiete auch für nicht zutreffend. In Niederländisch-Guyana setjen
sich z. B. Weiße, selbst Kinder, stundenlang der Sonnenstrahlung auch ohne Kopfbedeckung aus. Von Sonnen
stich ist nichts bekannt 10 ). Helbig 17 ) berichtet ferner, daß er bei seinem rund 2000 km langen Tropenmarsch
in Sumatra auf kaum 5% der Strecke einen Tropenhelm getragen hat. Fast immer ging er wie sein ein
geborener Boy barhäuptig, und bei ganz starker Sonnenstrahlung genügte meist ein Taschentuch. Von
Espirito-Santo wird der Schutj gegen Sonnenstrahlung durch breitkrempige Hüte und Kopftücher als all
gemein üblich berichtet 18 ). Vorsicht ist in der Frage der Kopfbedeckung immerhin am Pla^e. Sieber ist, daß
die Weißen der Truppen Lettow-Vorbecks von 1916 ab Tausende von Kilometern in stärkster Strahlungsglut
in der Mittagszeit, wenn auch mit Tropenhelm, zurückgelegt haben. Ungünstige Wirkungen bat das nicht zur
Folge gehabt.
Folgende briefliche Mitteilung vom 12. August 1937 aus Kigarama (Bukoba-Bezirk, Deutsch-Ostafrika)
an die Deutsche Seewarte in Hamburg mag schließlich noch einen Beitrag zu unserer Betrachtung geben 19 ):
„ln Kenia hat man, auch im kühlen Hochland, die Beobachtung gemacht, daß junge Leute, die nach der
Sitte der Engländer nicht nur am frühen Morgen oder späten Nachmittag, sondern auch in der Prallsonne
ohne Hut gehen, an plötzlichen Gedächtnisschwächen leiden. Auch Selbstmorde, die sich aus den Ver
hältnissen sonst nicht erklären lassen, werden einer Zerrüttung der Nerven durch schädigende Sonnen
strahlen zugeschrieben.“
Die Strahlung ist im Kenia-Hochland offenbar besonders stark; denn nach den Beobachtungen von
Büttner 20 ) spüren selbst die Schwarzen die unangenehme Strahlenwärme auch am Kopf. Die im Freien
arbeitenden Neger tragen abgelegte europäische Hüte durchaus nicht nur als „Schmuck“ oder Rcgcnschuty
Ähnliche Feststellungen werden auch im tropischen Westafrika gemacht 21 ).
In diesem Zusammenhang wird die Frage nach dem Zweck des Negerpigments aufgeworfen. Es gewährt
jedenfalls einen besonders hohen Schut} gegen das tiefe Eindringen der Strahlen an der Grenze von Rot und
Infrarot. Gegen die UV-Wirkung schüfen allerdings bereits ausreichend viel hellere Pigmente.
Die Europäerhaut absorbiert je nach ihrem Pigmentzustand 60 bis 70% der sie treffenden Gesamt
wärmestrahlung der Sonne, die des Schwarzen 80 bis 90 %. Die Hauttemperatur des Negers liegt um 2° höher
als die des Weißen.
Die Vielfalt der Meinungen und Erfahrungen zeigt, daß die Frage nach der Wirkung der Sonnen
strahlung noch mancher Klärung bedarf. Es ist wohl der Schluß zulässig, daß sich die einzelnen tropischen
Gebiete in der Strahlung sehr unterscheiden, und daß die Wirkung auf den einzelnen Weißen ganz ver
schieden sein kann. Es muß jedem überlassen bleiben, ob er den Tropenhelm gebrauchen will oder nicht.
Manche müssen den Tropenhut von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang tragen.
2. Der Gang der Temperatur.
Als weiteres klimatisches Ungunst-Moment der Tropen gilt der dauernd hohe Betrag der Lufttemperatur
und ihre geringe Jahresschwankung. Die einwandfreie und zuverlässige Bestimmung der Lufttemperatur ist
für die Tropen insofern besonders von Bedeutung, als schon kleine Unterschiede sehr wesentlich sind. In der
13 ) Sonnenstich ohne Überhigung im Hochgebirge. In: Umschau, 1939, S. 439.
14 ) Nr. 14, S. 293. “) Nr. 15, S. 177 ff. 10 ) Nr. 16, S. 521. 17 ) Nr. 17, S. 163. ls ) Nr. 18, S. 17.
19 ) Dieser Brief von W. Rascher, Kigarama, wurde mir von Herrn Oberregierungsrat Dr. Semmelhack frdl. zur
Verfügung gestellt. i0 ) Nr. 19, S. 474. 21 ) Nach Mitteilung von Herrn Dr. Semmelhack.