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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 60. Band. Nr. 6/7.
Beziehung eine stärkere Instabilität. Hier richten Polarluftvorstöße den stärksten Schaden an.
Es handelt sich hierbei beileibe nicht nur um Spätfröste, sondern auch um Schneebruch, wie
das wiedergegebene Beispiel eindringlich zeigt. Belaubte oder blühende Bäume bieten dem
stark haftenden nassen Frühjahrsschnee eine ungleich viel größere Ansatzfläche als die winter
lich entlaubten Bäume. Allerdings ist wirklich ausgedehnter Schneeschaclen in höheren Lagen
häufiger, Spätfrostschaden dagegen in tieferen. Die Gebiete stärkster Obstbauintensität in der
Oberrheinebene beschränken sich daher auf Lagen, die beide Extreme meiden.
In diesem Zusammenhänge muß noch auf die F rage der Eisheiligen, die wir schon mehr
fach gestreift haben, in Mitteleuropa eingegangen werden. Verschiedene Autoren haben an
Hancl vieljähriger Temperaturreihen (tägl. Mittel oder tägl. Minima) für verschiedene mittel
europäische Orte keinen markanten Einschnitt gefunden (vgl. z. B. die zusammenfassenden An
gaben bei Hann-Süring, 1926, S. 104); andere (z. B. Kienast, 1907, III, S. 26—28) fanden
sie nur im 5 cm-Niveau ausgeprägt oder nur bei bestimmten Jahresreihen (worauf Schmauß
mehrfach hinweist). Im allgemeinen ist die Streuung also groß, so daß ein besonderes Datum
kalendermäßig jedenfalls heute nicht festzulegen ist, um so mehr, als wir gar nicht wissen, ob
nicht die bekannte Bauernregel schon vor Einführung des heutigen Kalenders bestanden hat
(worauf z. B. Dieckmann, 1934, hinweist). Auch die achtjährige Summe der KE aus NW
und Nsk hat für Mitteleuropa keine kalendermäßige, entsprechende Bindung ergeben. Nacht-
frostgefahr besteht daher für den ganzen Mai ziemlich gleichmäßig, natürlich nicht mehr direkt
advektiv, sondern diatherman im Bereich polarmaritimer Luft (Hann-Siiring, 1926, S. 105).
Gegen die falsche Auslegung der Eisheiligen wandte sich bereits 1865 B. El Ine r. Von den in
Rede stehenden Kälterückfällen schreibt er (S. 15): „Die Erscheinung knüpft sich nicht an die
oft erwähnten gefürchteten drei Tage, sie knüpft sich lediglich allein an die Zeit zwischen Mitte
April und Mitte Mai..." Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch der Hinweis Hanns
(Hann-Süring, 1926, S. 104), daß die Maikälte zuerst in Nordeuropa auftritt und von dort
fortschreitend nach Norddeutsehlancl, Westfalen, dem Rheingebiet sich ausbreitet; Rußland wird
zuletzt erreicht. Schon Aßmann (1885) war zu ähnlichen Resultaten gelangt. Das ist eine Be
stätigung unserer auf anderem Wege gewonnenen Feststellung, daß die KE im Frühjahr in
Mitteleuropa mindestens nicht ausschließlich auf NW-KE, sondern viel öfter auf Nsk-KE zu
rückzuführen sind, die in Mitteleuropa von Nordosten her kommen und sogar in N-Frankreich
noch als charakteristische NNO-Winde im Frühjahr auftreten (Bigourdan, 1916).
Die Erniedrigung' des Kollektivmitteis in kontinentalen Teilen ist nicht allein eine einfache Parallele zur Häufig
keit kontinentaler Luftkörper in Deutschland, sondern wird durch das Vorhandensein einer Schneedecke außerordent
lich stark in den Einzelfällen modifiziert. Dadurch behält gerade in diesem Gebiet, das sonst bei luftkörperklimato-
logischen Betrachtungen so vorteilhafte Auskommen mit wenigen Jahren nicht in dem Maße Geltung wie in Gebieten
mit Luftkörpern, die clurdi die Schwankungen eines intensiven Strahlungsregulators wie der Schneedecke nicht be
troffen sind. Das gilt also gerade in Deutschland, im Gebiet des Kampfes positiver und negativer Temperaturwerte,
am stärksten. Die thermischen Eigenschaften eines KE werden daher je nach dem Vorhandensein einer Schneedecke
entsprechend stark divergieren. Schon in Ostpreußen dagegen bewirkt das stetige Vorhandensein einer Schnee
decke eine geringe Schwankung des hier allerdings absolut viel tiefer liegenden Temperaturmittels fast aller winter
lichen Luftkörper. Damit nehmen auch die Frost- und Kälteperioden (nach der Definition von E. Reichel, 1930,
S. 71) an Länge erheblich zu, weil sich eben ein größerer Teil der Temperaturvariabilität noch unterhalb der
0°-Grenze abspielt, was sidi aus der soeben erwähnten statistisdi-klimatologischen Arbeit E. Reichels deutlich
ergibt. Bezeichnend ist ferner, daß (nach Ortmeyer, 1928) in Ostpreußen alle KE, in SW-Deutschland nur noch
gegen 80 % (der von O. ausgezählten 69 Fälle von 1900/01 bis 1909/10) Kältetage bringen.
Bei dem Auftreten von NO-KE nimmt Siiddeutschland insofern noch eine besondere
Stellung ein, die wir hier zum Schluß nicht unerwähnt sein lassen wollen, als dann die Oro-
graphie (Sudeten, Böhmerwald, Alb, Schwarzwald, Vogesen als quer zur Luftströmung ver
laufende Gebirge) sowie der stärkere Gradient zu dem nahen Oberitalientief wie auch der
Riegel der Alpen eine Böigkeit dieses KE-Typs bedingen, die sonst im allgemeinen nur bei
NW-KE zutrifft (Daübert, 1937). Jedoch ist der direkte Schutz durch Böhmerwald (für das
Donautal) bzw. durch die Alpen (für Oberitalien) nicht so effektiv wie man glauben möchte.
Am Beispiel der NO-KE Anfang Februar 1929 hat dies Ivnoerzer (1931, S. II ff.) festgestellt.
Eine Begünstigung entsteht lediglich dann, wenn weder eine der Frostadvektion frei zugekehrte
Lage noch ihr häufiges Gegenteil, die Kessellage mit der noch viel wichtigeren Ausstrahl ungs-