Joachim Blü tilgen: Geographie der winterlichen Kaltlufteinbriidic in Europa.
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Wenn wir diesen Abschnitt zusammenfassen, dann können wir das Folgende festhalten.
Innerhalb Nordeuropas bildet Lappland trotz seiner geringen Größe zeitweise ein Kalt-
luftquellgebiet im Sinne von Willetts Forderungen hierfür. Infolge seiner polnahen
Lage und den Strahlungsbedingungen im Winter ist die Bildung kontinentaler Kaltluft be
günstigt. Dementsprechend fällt der kälteste Tag (nach Schwalbe, 1892) im Bereich der
nördlichen Ostsee auf den 13. Februar uncl verfrüht sich von dort nach SW und SO. Im voll
polaren Klima liegt bekanntlich der kälteste Tag im März, wodurch eine starke Asymmetrie der
der Jahrestemperaturkurve bedingt wird (O. V.J ohansson. 1929).
DaslappischeKaltluftkissen, in dem bei stillem Wetter der Frost Extremwerte bis
zu — 40° und mehr erreicht, zeigt ein starkes Beharrungsvermögen gegen die im
Westen und Norden vor beifließ ende Warmluft. Luftaustausch am Boden über
ganz Lappland hinweg findet bei zyklonalem Witterungscharakter zwar statt, jedoch ist auch
dann in den meisten Fällen die abkiihlende Wirkung des Landesinneren erkennbar. Bei ruhigen
Luftdruckverhältnissen über dem Festlande findet entlang cler Eismeerküste ein Hin-
un cl Herpendeln cler Kaltluft statt, ohne daß jedoch eine wesentliche Verschiebung der
Kaltluftgrenze eintritt. So ist auch die an der Eismeerküste im Winter auftretende nordwest
liche Windkomponente oft nicht das Zeichen eines Lappland völlig überflutenden polarmaritimen
Kaltluft Vorstoßes. Es ist aber anzunehmen, daß auch bei nur an der Küste wahrnehmbaren auf
landigen Winden eine Ergänzung des Kaltluftblocks durch frische maritime Polarluft erfolgt.
Diese Luft dringt jedoch nicht weit landeinwärts vor und unterliegt sofort der Kontinen-
talisierung.
Das Innere der skandinavischen Halbinsel, entlang dem Ostfuß des Gebirges
von Lappland bis herab nach Südnorwegen, zeigt die Ausbildung eines Kaliluft
blocks in etwas abgeschwächter Form, hauptsächlich gekennzeichnet durch windstilles Strah
lungswetter oder durch Strahlungsfröste in Aufheiterungsgehieten. die beim Überschreiten des
Gebirges durch maritime Luft auf der Ostflanke entstehen. Anhaltspunkte für eine Uber-
wehung cler im Schutze des Kjöl verbleibenden Kaltluft gibt es öfter; im Ost
seegebiet tritt demnach zu der Wärmeabgabe der See die Wirkung der von oben herabsteigen-
clen, mit der Bodenkaltluft sdirittweise vermischten Meeresluft. Bei starkem Anwachsen cler
innerskandinavischen Kaltluft oder bei zyklonal bedingten ablandigen Winden an cler norwegi
schen Westküste strömt die trockene Kaltluft des Inneren boraartig meer-
wärts. Für NO-KE, clie Mitteleuropa betreffen, ist die skandinavische Kaltluft meistens
randlidi gelegen und nur selten direkt einbezogen; sie flankiert dann den Kaltluftfluß gegen
den Ozean hin. Ein Vordringen innerskandinavischer Kaltluft nicht nur nach dem Ozean, son
dern auch nadi Osten hin tritt hin und wieder ein. Dann pflegt sich über dem Inneren Skan
dinaviens eine Zone relativ höheren Luftdrucks auszubilden.
Südschweden steht nicht mehr im Schutze des Kjöl uncl wird daher nicht mehr in die lokale
Kaltluftbildung des Inneren einbezogen und erhält seine winterliche Kälte vornehmlich ad-
vektiv, wenn auch oft aus ganz nahen Teilen Skandinaviens. Das Innere Nordeuropas versorgt
außerdem auch die dem Ozean zugekehrte Küste mit Kaltluft: denn clie dort eventuell ein-
ti eilende maritime Kaltluft aus NW hat stets keine nennenswerten Frosttemperaturen aufzu
weisen. ist aber durch ihre Böigkeit (Schneeschauer bei hoher Windstärke) gekennzeichnet.
Diese Böigkeit greift aber nur höchst selten — und wenn, dann stark abgeschwächt — über
ganz Nordeuropa über.
Eine besondere Behandlung erfuhren die Spätwinterverhältnisse. Etwa Anfang April
hört Lappland auf, ein selbständiges Kaltluftquellgebiet zu bilden. Dann über wiegt clie
Zufuhr arktischer Kaltluft mit relativ niedrigen Eintrittstemperaturen,
die sich etwa seit dem Februar immer stärker bemerkbar macht. Der winterliche Kaltluftblock
ist verschwunden, er vermag daher jetzt kein Hindernis für andrängende Nachbarluftmassen
mehr zu bilden. Im Winter verhinderte er die direkte Einwirkung der milden ozeanischen Luft
massen auf Lappland und das übrige Skandinavien. Jetzt, da er verschwunden ist, wäre cler
Weg frei für sie: aber inzwischen hat die Abkühlung des Polargebietes ihr Maximum erreicht,
so daß nunmehr eventuelle Warmluftströme ganz beiseite geschoben sind durch die mächtig