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Aus dem Archiv der Deutschen Seewürfe und des Marineobservatoriums. — 60. Baud. Nr. 6/7.
daher in diesen Fällen zu einer Temperaturabnahme von Nord nach Süd (anstatt normalerweise
umgekehrt) kommen. In der Regel handelt es sich um jene C-KE. die in der zweiten Hälfte des
Winters im Anschluß an NO-KE sich über Mitteleuropa mit einem großen Kaltluftvorrat selb
ständig machen.
Ganz entschieden für sich betrachtet werden muß der skandinavische Spätwinter.
Er zeigt das nirgends sonst in Europa derartig markante Hervortreten derNsk-KE,
die v o m Eismeer hereinbrechen. Sie geben dieser Jahreszeit, die Anfang März beginnt, das
Gepräge. Es ist dabei verhältnismäßig belanglos, ob die Polarluft hier mit Nordwest- oder mit
Nordostwinden eintrifft. Im Frühjahr erfährt die Nordkomponente des Windes allgemein eine
Zunahme in Norcleuropa. Daß sie ihr Maximum im Sommer erreicht, spricht nicht gegen die Her
vorhebung der spätwinterlichen Eigenart der polaren Winde von März bis Mai. Wie schon aus
den eingangs zitierten Worten Y e 11 i n s hervorgeht, vereinen sich hierbei zwei völlig ver
schiedene Klimatendenzen zu gleicher Wirkung: die maximale Kaltluftproduktion der Arktis,
das Übergreifen dieser Kaltluft auf Nordeuropa und die luftdruckmäßige, durch die fest
ländische Insolation bedingte Auflockerung des europäischen Luftmeeres. Das ergibt in beiden
Fällen nördliche Winde über Nordeuropa, zumindest über Lappland. Das Üb er greifen
des Polarwinters wird also später zum monsunähnlichen Einströmen
kühler Meeresluft gegen das erwärmte Land. Auf die klimatische Bedeutung
dieser beiden Ursachen fiir Lapplands Klima habe ich mehrfach hingewiesen (Bl ütilgen. 1936
[a] [b], 1937, 1938 [a—d]).
Zum Beginn dieser spätwinterlichen Periode zeigt Lappland Übergangserscheinungen zwi
schen NO- und Nsk-KE-Typen. Zwar ist der widerständige Kaltluftblock verschwunden, aber
die nunmehr intensiv einströmende Polarluft (Ansteigen der Nsk-Zahl im März!) ist jetzt sehr
kalt und erfährt in den Märznächten über cler hohen lappländischen Schneedecke noch eine
beträchtliche Abkühlung. So läßt sich in dieser Zeit nicht immer klar unterscheiden, ob wir es
noch mit einem NO-KE oder schon mit einem Nsk-KE zu tun haben. Wie dem auch sei: diese
Polarluftvorstöße bringen in das Klima Lapplands eine krasse Gegensätzlichkeit, die sich
pflanzengeographisch deutlich auswirkt. Wie ich an anderer Stelle schon ausgeführt habe
(Blüthgen, 1938 [d]), ist das Auftreten der Tischform der Birken gebunden an den
kräftigen interdiurnen Temperaturgegensatz unmittelbar über einer Schneefläche bei begün
stigter Sonneneinstrahlung und gleichzeitig trockenem Advektivfrost arktischer Prägung (d. h.
bei kräftiger Luftbewegung, geringer Feuchte, diathermaner Luft und nächtlicher Frost
verschärfung). Die daher in Schneehöhe (d. h. Frühjahrsschneehöhe) stark reduzierte oder voll
kommen unterbundene Verzweigung der Birkenbüsche, welche ähnlich einer Hochwassermarke
die Birkenwälder Innerfinnmarkens durchzieht bzw. die Gebüschformation tischeben auf weite
Strecken kappt, bedeutet daher in diesem Zusammenhänge ein Hinweis auf den arktischen
Klimaeinschlag des lappischen Spätwinters. Aus der KE-Statistik wissen wir, daß diese Periode
einen größeren Zeitraum bis zum gänzlichen Verschwinden cler Schneedecke umfaßt. Die Zeit
der geschilderten extremen Einwirkung auf die Birkenbüsche stellt einen Ausschnitt daraus dar.
Außer cler sichtbaren Einwirkung auf die Gestaltung cler Vegetationsverhältnisse erkennen
wir den Einfluß des durch die Polarluftvorstöfie regierten Spätwinters in cler Eisbedeckung der
Bottenwiek (Blüthgen, 1936 [a] [bj, 1938 [a] [c], die gegenüber der der Bottensee eine wesentliche
Verzögerung der Schmelze aufweist. Das Maximum der Vereisung liegt hier Mitte März, und
der Abtauprozeß wird durch die Polarluftvorstöße im nördlichen Teil cler Bottenwiek länger
hinausgeschoben als anderswo in cler Ostsee. So hält sich schließlich das Eis auf See noch lange,
nachdem die Uferpartien infolge des rascher erwärmten benachbarten Landes bereits eisfrei
sind. Die Bottenwiek zeigt daher, wenn auch nur ansatzweise Tendenzen arktischen Ver
eisungsganges (vgl. auch Blüthgen, 1938 [e]). Dies ist also nicht zum wenigsten auf die den
Tauprozeß verzögernde Wirkung der Nsk-KE des Spätwinters und Frühjahres zuriickzufiihren.
Von Anfang April an sind die Nsk-KE die ausschließlichen Kaltluftbringer, da Skan
dinavien dann von den übrigen Typen nicht mehr betroffen wird. Sie beginnen sich dann, so
weit sie Frost im Gefolge haben, nach Lappland zurückzuziehen. Daß die Strömung als solche