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Aus dem Archiv dev Deutschen Seewarte und des Marineobs'ervatoriunis. — 60. Band. Nr. 6/7.
regnerischen Wetters. Sic schließt im September oft schon mit deutlich erkennbaren NW-KE ab, die bei besonders
intensiver Zyklonentätigkeit bis nach Mitteleuropa hinein den ersten Strahlungsfrost bewerkstelligen, können. 38 ) Aber
das sind Ausnahmen. Die Mitte des Monats wird eingenommen von der als Altweibersommer (in Amerika
Indian Summer) bekannten Trockenperiode mit geringen südlichen bis südöstlichen Winden und hoher Schleier
bewölkung. Zu dieser Zeit pflegen jedoch die charakteristischen Spinnfäden noch nicht aufzutreten. Dies ist vielmehr
meist erst um den 1. Oktober der Fall, wenn die Beständigkeit des Altweibersommers schon nachgelassen hat. Mit
dem Abklingen dieser Periode, in der der Sommer noch einmal aufzuleben scheint (Advektion wärmerer Luftmassen,
gleichzeitig aber Verhinderung intensiver Ausstrahlung nachts durch die Cirrusbewölkung und Ermöglichung einer
wenig behinderten Insolation am Tage!), treten wir in die Zeit der auflcbenden Zyklonentätigkeit des Herbstes ein.
Als Ausnahme muß es gelten, daß schon Ende September Kaltluftvorstöße bis nach Mitteleuropa gelangen, wie das
anhaltend und intensiv vom 26. September bis 12. Oktober 1956 der Fall war.
Die herbstlichen Zyklonen leiten den meteorologischen Winter ein. Sie nähern sich unter stärkerer Vertiefung
dem mitteleuropäischen Bereich und haken stürmische Winde aus SW bis W mit Niederschlägen zur Folge. Die
II er bst.stürme fallen in der Hauptsache in den Oktober, und in der zweiten Hälfte des Oktober treten in ihrem
Gefolge die ersten NW-KE auf, die sogar bereits mit Graupel- und Schiieeschauern verbunden sein können. Meist
jedoch kündigt sich die Winter durch die ersten Bodenfröste an, die innerhalb dieser Luftkörper bei eintretendem
Aufklaren aufkommen. Nach Beendigung der zyklonalen Herbstperiode Anfang November folgt das bekannte
feuchte und nebelreiche, dabei außerordentlich schwachwindige, anfangs stärker hochdruckbedingte November
wetter, das in den Gebirgen den ersten kräftigen Anstieg der Schneedecke bringt. Geringe Luftdruckgegensätze,
Zufuhr feuchter Luftmassen und Abkühlung des Landes bewirken stagnierende Nebel, die die Insolation nicht mehr
aufzulösen imstande ist. Nieselregen, geringe Verdunstung infolge hoher relativer Feuchte, trübes Wetter sind die
oft recht lange anhaltenden Zeichen. Dabei liegt die Temperatur am Boden meist nicht sehr tief. Siegers Fest
stellung, daß auf den November nach seiner Luftkörperstatistik für Schmatzfeld (Harz) 25 % auf maritime Luft
massen und 24% auf indifferente, vermischte usw. Luftmassen entfallen, stimmt hiermit klar überein. Erst gegen
Ende des Monats, namentlich aber Anfang Dezember wandelt sich diese Wetterlage um. Die Ausstrahlung über
dem Festlande bewirkt den Aufbau eines Bodenkaltluftkissens, das sich allmählich ausdehnt. Dabei bleibt trübe
und zu Rauhreif neigende Witterung bestehen. Nadi Sieger weist der Dezember im Gegensatz zum Vormonat
mit fast 25% ein Maximum kontinentaler Luftmassen (nidit polarkontinentaler!) auf, das damit in Beziehung ge
bracht werden kann. Die Wirkung der Tiefdruckgebiete beschränkt sich auf sehr flache Gebilde über Mitteleuropa,
die zu feinen gleichmäßigen Schneefällen führen bei Temperaturen wenig- unter oder um 0°. Das Haupttiefdruck-
zentrum liegt nach Engelmann (1955) dann in Nordrufiland. Mitteleuropa liegt daher in einem Zwischenhoch
oder in einem deutlichen Riickseiten-KE ursprünglich maritimen Charakters. Die vorfrontale Ansaugung der ersten
frostkalten Festlandsluft aus SO fällt in diesen Zeitraum. Diese erste ruhige winterliche Periode entwickelt sich
jedoch nicht zu einer Frostzeit, sondern stellt den Übergang zu zyklonalem, mildem Wetter dar. Erst Mitte De
zember, jedoch sehr unregelmäßig bis kurz vor Weihnachten, folgt eine Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit kräftiger
NO-KE und vorausgehender Schneefälle. G. Schinze hat diese Periode vom 16. bis 22. Dezember auf der Schnee
koppe bestätigt gefunden. Diese Winterwetterlage wird dann sehr abrupt abgelöst von cler Weihnachtsdepression,
mit der wir den Jahreszeitenzyklus begonnen hatten.
Die bildliche Darstellung der Reihenfolge der soeben skizzierten Witterungsabschnitte ist
in der Fig. 73 festgehalten. Die einzelnen Glieder treten nun nicht immer zur gleichen Zeit
auf und besitzen auch wechselnde Länge, aber erkennbar sind sie in der angegebenen Reihen
folge fast stets im Jahreslauf. In dem einen Jahr ist ein Glied der Kette nur unbedeutend ent
wickelt oder zeitlich verschoben. Von ganz wenigen etwas konstanteren Ereignissen, wie etwa
cler Weihnachtszyklone oder der Schafkälte oder dem Altweibersommer, abgesehen ist es
überhaupt äußerst problematisch, ein bestimmtes Datum anzugeben. Es gilt auch für das Ein-
trittsdatum der Singularitäten Hanns bekannter Stoßseufzer, daß die mittleren die am selten
sten auftretenden Fälle sind. Die Schwankungen des Eintritts können oft mehr als einen Monat
betragen. Dann wieder häufen sich die Glieder in rascher Aufeinanderfolge. Soweit diese mit
KE Zusammenhängen, werden noch Beispiele gegeben werden. Zunächst seien die typisch win
terlichen Glieder cler Kette auf ihre Genese untersucht und ihr Auftreten aus dem vorliegenden
Material belegt, was Mitteleuropa betrifft. Die weitere Frage nach den korrespondierenden
natürlichen Abschnitten der Witterung in anderen Peilen des Untersuchungsbereichs wird dabei
berührt werden.
Für Mitteleuropa kommt als erste winterliche Erscheinung das Auftreten von NW-KE im
Oktober in Betracht. Die Oktoberfröste gehen fast stets auf zugeflossene maritimpolare Kalt
luft aus dem Raume Islands zurück. Die Advektivtemperatnr ist dabei infolge der hohen
Speicherwärme der Meere ebenfalls relativ groß. Die eigentliche Wirksamkeit beruht auf den
M ) Vgl. Boll (1917).