116 Aus clem Archiv der Deutschen Seewürfe und des Marineobservatoriums. — 60. Band. Nr. 6/7.
haltspunkte gibt. Das Ergebnis dieses Abschnittes konnte daher nicht sehr positiv ausfallen,
Das ist um so bedauerlicher, als es einem echten geographischen Bedürfnis entsprechen würde,
dem dynamisch-klimatologischen Begriff des KE als einer zusammengesetzten Einheit die
Grundlage vergleichbarer Mittelwerte zu geben,
10. Zur Frage der natürlichen Gliederung des Winters.
Die Einteilung des Jahres in natürliche Abschnitte, die nidit durch Kalendertage oder solare
Wendepunkte, sondern durch regelmäßige charakteristische Witterungsereignisse abgegrenzt
werden, kann sich naturgemäß nidit allein auf die Kaltluftvorstöße stützen, auch im Winter nicht;
denn sie diktieren den Rhythmus der Witterungsperioden nicht allein, sondern bilden ebenso nur
einen nidit herauszulösenden Teil cles Gesamtgeschehens im Luftraum w ie die Warmluftvorstöße.
Inwieweit clie Kaltluft während der kalten Jahreszeit zu einer regelmäßig
wiederkehrenden Gliederung derselben einen Beitrag liefern kann, ist
Aufgabe dieses Abschnittes, mit dem wir clie Grundlagen für den regionalen Teil der Arbeit
abschließen.
Bevor die Einzelperioden näher besprochen werden, ist es angebracht, eine Übersicht über
clie Gliederung des ganzen Jahres in natürliche Jahreszeiten zu geben. Es muß dabei betont
Averden, claß sich diese nur auf norddeutsche, bestenfalls mitteleuropäische Verhältnisse be
ziehen kann; denn in anderen Teilen cles Untersuchungsbereiches ergeben sich, in kausaler Be
ziehung zu den herrschenden Luftdrucksystemen, andere Grenzen. Wir sind z. B. mit einer
großen Wahrscheinlichkeit von vornherein anzunehmen berechtigt, daß der bekannten Weih
nachtsdepression in Mitteleuropa ein Aufleben der Kaltlufteinbrüche über Island entspricht.
Dies trifft auch tatsächlich zu.
Nachdem ich clie Gliederung des Jahres in natürliche Witterungsperioden in den
Grundzügen bereits aufgestellt hatte, ohne mich anderer Hilfsmittel zu bedienen, erschien die zusammen fassende
Übersicht von A. S c h m a u ß über synoptische Singularitäten (1938 [c]), in der Schman fi aus verschiedenen Beiträgen
und seinen eigenen grundlegenden langjährigen Untersuchungen auf diesem Gebiete die täglichen Luftdruckverhältnisse
entlang mehrerer Profile in Europa analysiert und dabei typische Ereignisse festhält, die alljährlich wiederkehren,
z. T. verkümmert, teils intensiviert und ausgedehnt, mitunter verschoben, aber oft recht pünktlich. Der Begriff
Singularität wird damit aus der Sphäre des Einmaligen, Zufälligen herausgenommen und gewinnt durchaus
periodischen, gebundenen Charakter. Der Begriff ist in diesem Sinne in clie klimatologische Terminologie ein
gegangen. (Während des Druckes erhielt ich Kenntnis davon, daß Schm aufi (Forsch, u. Fortschr. 1940, S. 153—157)
neuerdings ebenfalls von diesem Begriff abgegangen ist und sie als „Wetterwendepunkte“, als wiederkehrende
Witterungsabscbnitte größeren oder kleineren Umfangs bezeichnet.) Er umfaßt also nidit nur Punkte, sondern Zeit
abschnitte, clie bei genügend fortgeschrittener Analyse schließlich eine lückenlose Jahresfolge ergeben. Deshalb
erscheint es durchaus gerechtfertigt, von „natürlichen Jahreszeiten- und Witterungsabschnitten“ zu sprechen, ein
Begriff, der eindeutig ist und schon vom Volksempfinden, wenn auch oft unausgesprochen, gegenüber der astronomi
schen Jahreseinteilung in der Praxis öfters angewandt wird. Die Wissenschaft holt liier nur nach, was dem Land-
niann unbewußt geläufig ist. Geographischer Betrachtung bietet sich darin ein weites Feld, und das Thema hat, wie
schon erwähnt, enge Berührungen mit dem unsrigen. Die Schmaufisdie Gliederung, die auf zahlreichen Einzel
arbeiten über den Gang der meteorologischen Elemente beruht, sei hier nicht in extenso beigefügt, um den Abschnitt
nicht zu stark auszuweiten. Sie wird aber in der folgenden Übersicht über die natürlichen Jahreszeiten („das me
teorologische Jahr“ der Meteorologen) im gegebenen Falle zu Wort kommen. Audi die Bemerkungen Hoff
meisters (1954) über clie Singularitäten im Niederschlagsgang des Harzes decken sich nahezu völlig mit der nach
folgenden Gliederung und könnten vielfach als Beleg herangezogen werden.
Wir beginnen die natürlichen Jahreszeiten mit der oben schon erwähnten Weihnachtsdepression.
Zum Leidwesen cles weihnachtlichen Wintersports überqueren mit auffallender Regelmäßigkeit Warmfronten im
Gefolge einer vertieften Englanddepression Mitteleuropa während der Weihnaelitstage. Nach Engel mann (1935)
ist es die Folge einer Tiefdrucksingularität, die Mitte Dezember in Westeuropa einsetzt und, nach demselben Ver
fasser, ihrerseits wieder die zweite Phase einer größeren, schon Ende November beginnenden ist. Der weihnachtliche
Witterungsumschwung ist sehr ausgeprägt und in der Singularitätenliteratur häufig erwähnt. Mit ihm wird eine
Periode milden, feuchten Wetters eingeleitet, die meist mir allmählich abklingt durch Zunahme der Ausstrahlimgs-
wirkung in maritimen Luftkörpern. Sie vermag aber den ursprünglich sehr milden Luftmassen, die in breiter
Front gen Europa gefühlt sind, ihren unwinterlichen Charakter in der Regel nur sehr langsam zu nehmen. Strali-
liingsabkühlung und Advektion neuer Mildluft halten sich oft die Waage. Gegen Ende der Periode beginnt sich
maritimpolare Kaltluft von NW her vorzuarbeiten. Das bedeutet mit anderen Worten, daß die NW-KE über Island
an Raum gewinnen. Zu einer geschlossenen Schneedecke kommt es hierbei bei uns in tieferen Lagen nicht, denn die
Temperaturen sind am Boden meist erst dann negativ, wenn die Niederschläge bereits nachlassen (vgl. Bl ii tilgen.