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Joachim B 1 ütilgen: Geographie der winterlichen Kalllnfteinbrüdie in Europa.
Polarlnft in Kontinentalluft; denn die bereits bei maritimer Polarluft herrschenden klein klimatischen Bedingungen
verstärken sich nur bei Kontinentalluft.
Untersuchungen über die Beziehungen der KE untereinander setzen Betrachtungen über ihre Folge voraus.
Bereits R. Geiger hat in seiner oben genannten Arbeit (1952, S. 567) ein Schema der Folgewahrscheinlichkeit aller
Luftkörper auf Grund eines S c h m a u fi s c h e n dreijährigen Luftkörperkalenders in München aufgestellt. Über
tragen auf unsere Fragestellung ergibt sich daraus folgendes: i. auf polarkontinentale Luft folgt mit über 50 % Wahr
scheinlichkeit kontinentale, d. h. ein NO-KE geht in ein C-Luftkissen oder SO-KE über; 2. auf polare Luft, die an
sich nur selten vorkommt, folgt etwa mit je 25 % Wahrscheinlichkeit kontinentale, polare bzw. polarkontinentale Luft.
Die Schwierigkeiten, polare Luft einem bestimmten KE-Typ zuzuordnen, haben sich schon an anderer Stelle ergeben:
sie spiegeln sich nunmehr auch wieder in der wenig ausgeprägten Folgewahrscheinlichkeit; 5. auf polarmaritime
Kaltluft folgt mit etwa 40 % Wahrscheinlichkeit kontinentale Luft, zu weiteren 40 % maritime Luft. Das heißt,
NW-KE gehen in absinkende mitteleuropäische Kaltluftkissen (C-KE) über, wenn dazu genügend Zeit bleibt, sonst
werden sic durch mildere Meeresluft verdrängt. Beide Fälle halten sich ungefähr die Waage. — Weitere Verkoppe
lungen von KE lassen sich ans Geigers Feststellungen nicht ableiten.
Sichten wir unter diesem Gesichtspunkt nun unser Material, so müssen wir zunächst unter
scheiden zwischen direkt miteinander verknüpften KE (z. B. NW + C) und dem synoptischen
Rhythmus der indirekt, aber gleichzeitig zueinander gehörigen KE (z. B. NW + SO). In den
beifolgenden Diagrammen (Fig. 32 bis 40) sind für die einzelnen Beobachtungsjahre, sowie zu
sammengefaßt für den gesamten achtjährigen Zeitraum, alle gleichzeitig vorkommen -
den KE-K ombinationen erfaßt worden.
Die Diagramme zeigen, wenn wir zunächst die Summe der acht Jahre betrachten, nach
l agen das Vorwiegen der Kombination NO und NW. Daneben sind die einzeln vorkommenden
Fälle von NW, NO und Nsk noch außerordentlich häufig. Sodann muß bereits die Kombination
NW/SO angeführt werden, der die Kombination NW/Nsk nur wenig nachsteht. Kausal be
trachtet bedeutet das Vorkommen der genannten Verbindungen folgendes: das gleichzeitige
Auftreten von NO- und NW-KE erklärt sich aus einem zentral, etwa im Nordseeraum gelegenen
Tiefdruckgebiet, dem von Island her Nordwestluftmassen und von Lappland her Nordostluft
massen nebeneinander Zuströmen. Die Fälle aber, in denen die Luftdruckverhältnisse über
Europa entweder nur einen NW-KE oder nur einen NO-KE zur Entwicklung gelangen ließen,
sind, wenn man sie beide zusammenzählt, doch noch zahlreicher als ihr gemeinsames Vor
kommen. Das gleiche gilt auch von den Einzelvorkommen von Nsk gegenüber dem gemein
samen Auftreten von NW/Nsk. Das gemeinsame Auftreten dieser beiden zuletzt genannten
Typen setzt nämlich das Vorhandensein zweier Tiefdruckgebiete voraus 35 ), von denen das eine
Island passiert hat. während das andere bei Kola liegt. Das relativ häufige Auftreten der gegen
sätzlichen KE aus NW und SO belegt statistisch die bereits S. 92 gemachten Feststellungen,
wonach auch das größte Tiefdrucksystem im atlantischen Raume auf seiner Vorderseite kalte
Festlandsluft mit Südostwinden ansaugt, während zwangsläufig auf seiner Rückseite arktische
Rückseitenkaltluft vordringt.
Bei diesen statistischen Feststellungen ist jedoch zu bemerken, daß sie für den ganzen Winter gelten. In den
einzelnen Jahreszeiten gibt es allerdings Abweichungen, die durch die verschiedenen Einstrahlungsbedingungeil
bzw. die Wärmeverhältnisse des Meeres bedingt sind. Im Frühjahr z. B. treten in Lappland Nsk noch effektiv auf,
während die NW über Island nicht mehr so kalt sind, daß sie als KE in unserem Sinne hätten gezählt werden
können. Daher beschränkt sich das gemeinsame Vorkommen dieser beiden KE hauptsächlich auf den Hochwinter,
ebenso wie auch das Auftreten der gegensätzlichen KE aus NW und SO nur dann möglich ist, wenn nicht nur die
Rückseite genügend kalte Polarlnft mit Frost herantransportiert, sondern wenn auch gleichzeitig an der weit süd
licher gelegenen kontinentalen Vorderseite frostkalte Festlandsluft zur Verfügung- steht. Im späten Frühjahr da
gegen steht einem kalten Rückseiten ström über Island zwar auch eine Südostströmung über dem Festlande gegen
über, aber diese besitzt nun keine negativen Temperaturen mehr, weil die Sonne den südlichen Kontinent schon
merklich erwärmt hat. So sind also in einer Durchsicht der Jahressnmmen Fehlerquellen enthalten, die zur vor
sichtigen Deutung mahnen. Kombinationen dürften auf diese Weise in Wirklichkeit noch viel häufiger auf treten,
als Einzelfälle, sie werden in den Übergangsjahreszeiten lediglich durch die thermische Festlegung unserer KE-Defi-
nition auseinandergerissen. Wir kommen auf die wechselnde Verteilung der Kombinationen in den einzelnen
Monaten noch zurück.
*®) bzw. einer sog. Schleifzone, wie das von Moese u. Schinzc (1927) angeführte Beispiel lehrt.