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Ans dem Archiv der Deutschen Scewurtc und des Marineobsei vatoriuins. — 60. Band. Nr. 6/T.
Ausbildung und rasdien Zuggesdiwindigkeit des Wirbels ist also eine Y e r s c li 1 e p p u u g der
Kaltluft eingetreten: die letztere trifft dann meistens auch nicht mit einem deutlichen Böenkopf
ein. Verschleppung ist stets mit geringer Dauer cles KE über einem gegebenen Orte verbun
den. da nämlich auch die herrschende Westströmung, in der der Wirbel mit anderen nach
folgenden sich fortbewegt, von der KE nicht durchbrochen wird.
In Nordwestcuropa gibt cs zahllose Beispiele für verschleppte KE, von denen nachstehend zwei als Belege her-
ausgegriffen seien. Am 21. Januar 1928 bedeckt ein breiter Tiefkern von 725 nun Island: in lsafjord dringt mit NW 6
frische KL ein (—5° gegen -t° zuvor), der Himmel ist bedeckt, cs fällt Schnee. Thorshavn auf den Färöern meldet
gleichzeitig Südsturm bei 9°. Das genannte Tief wundert unter starker Vertiefung auf 715 mm bei Jan Mayen rasch
nach NO ab, und die nachfolgende, am 21. in lsafjord eingetroffenc KL webt am 22. mit Westwinden bereits über Ost
island hinweg und streift die Färöer eben noch mit SW-Winden: ein kräftiger Durchbruch der SW-Wind-Zono findet
also nicht statt. Schon am nächsten Tage (23. Januar) bringt ein neues Tief ganz Island starke Erwärmung, und zwar
uni ebensov iele Grade, wie die gestrige Abkühlung betrug (Seydisfjord 5°, S 6. bedeckt, Regen). — Das krasseste
Verschleppungsbeispiel, was mir bei der Durchsicht der Wetterkarten auffiel, bietet aber zweifellos das des 26. Januar
1928, also nur wenig später als das soeben erwähnte Beispiel. Seit mehreren Tagen herrscht über ganz England und
Irland eine milde SW-Strömung mit großen Windstärken und regnerischem Wetter. Tiefdruckkerne von unter 725 mm
ziehen zwischen Island und den Färöern nordost wärt*. Die KL der Rückseiten gelangt meist nicht weit. Am 26. Januar
meldet jedoch Nordirland bei SO-Wind Stärke 6 und 2° Wärme Schnee regen sowie Schottland Schauer weiter mit
Schnee und Regen bei SW-Wind. In Nordirland kann es sich nur um Riickscitenkaltluft handeln, denn vor der
Wannfront befindet sich die nächste KL erst in Süddeutschland, von England getrennt durch einen breiten, stürmischen
Warmluftsektor mit Temperaturen zwischen 5 und 10° Wärme. Wir haben also hier ein Beispiel extremer Ver
schleppung der Riickseitenkaltluft von NW über SW bis in den SO-Quad rauten, der sonst allenfalls mir heran gesaugte
vorfrontale KL aufweist.
Eine weitere Folge cles starken Gradienten ist die Einwirbelung von Warmluft um den
Tiefkern herum in den im NW befindlichen Kaltluftstrom (Frank. 1937, S. 213). ebenfalls
verursacht durch die starke Fliehkraft, fin Falle solcher Einwirbelung beobachten wir
dann in Island eine Temperaturzunahme bei Nordostwinden, anstatt normalerweise Tempe
raturabnahme.
Folgendes Beispiel sei angeführt: Am 14. Januar 1928 meldet Seydisfjord bei Ost I und bedecktem Wetter mit
Schnecfall —2°; dabei liegt ein Tief von 740mm südlich Island, das ziemlich flach ist, und in das die KL über Island
also von O bis NO einfließt. Die Südküste Islands wird, ebenfalls mit Ostwinden, von Warmluft berührt. Am
folgenden Tage ist das Tief unter Vertiefung nach Schottland gezogen; der Wind dreht in Seydisfjord auf ONO 5.
Dabei steigt die Temperatur um 4° auf 2°, obwohl mit dem Abwandern des Tiefs in NW-Island ein leichter Druck
anstieg eingetreten war. Ebenso war Thorshavn auf den Färöern bei Ost wind um 5 wärmer.
Auch im Bereich der Ostsee kann im Winter mit Ost winden eine Temperat u rzunahme durchaus ei «treten, wobei
der folgende Vorgang zugrunde liegt. Ein über dem Balkan nordwärts gerichteter WI.-Strom vermag sich über dem
Kontinent nicht ostwärts fortzupflanzen. Es kommt zu einem Stau dieser zugeführten Warmluft an dem stabilen
also von O bis NO einfließt. Die Südküste Islands wirird dann bei an sich geringem Luftdruckgradienten um-
gebogen und gelangt über der Ostsee mit NO-Winden wieder nach SW. Darauf beruhen die bei NO-Winden und
Temperaturzunahme bis 0° an der deutschen Ostseeküste gelegentlich auf tretenden Sprühregenfälle, während man
doch bei einem echten NOlu Beinbruch noch bei Bodentempcratiiren wenig über 0° bereits Niederschlag in fester Form
erwartet. — Ein Beispiel bringt der Wetterbericht der Badischen Landeswetterwarte Karlsruhe vom Mittwoch, dem
18. November 1931: „Das über dem europäischen Kontinent ausgebreitete Hochdruckgebiet hat uns bisher keine durch
greifende Aufheiterung bringen können, da iin Osten Tiefdruckreste erhalten bleiben, von denen in der Höbe feuchte
Mittelmeerluft mit östlichen Winden bis zum Rheine Bewölkung heranführt. Dabei ist es in unserem Gebiet noch
vorwiegend trocken geblieben; Bayern und Mitteldeutschland hatten dagegen leichte Regen- und Schneefalle...“
Isobarenbild und Wetterbeobachtungen dieses Falles gibt der Wetterkartcnaiisschnitt nachfolgender Fig. 5.
Die beiden geschilderten Fälle, sowohl die Finw irbelung wie der Warmluftstaii, sind
jedoch seltene Modifikationen des normalen Ablaufs der Kaltluftvorstöfie. Bemerkenswert ist.
daß der Warmluftstaii am ehesten noch im Spätherbst und Früliwinter auftritt.
Die Mächtigkeit der Vorstöße ist sehr verschieden: insbesondere sind maritime Polar
luftvorstöße in der Regel wesentlich mächtiger als kontinentale, worauf z. B. W. Peppier
(1931 [cj. S. 374) hingewiesen hat 18 ). Seichte KE sind meist kontinentalen Ursprungs, nur selten
reichen Nordostluftvorstöße im Anfangsstadium noch in größere Höhen hinauf. Mächtigkeiten
von mehreren km sind bei maritimer Polarluft durchaus nicht selten, während sie bei kontinen-
10 ) Palmen (1950) führt für NW-KE Mächtigkeiten von über JO. ja sogar 17 km an: oberhalb von 5 km sind
jedoch die wetterwirksamen Fronten meist stark verwischt.