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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 60. Band. Nr. 6/7.
Nordrande eines Hochs und am Südrande eben des besagten Tiefs von der hier einsetzenden
WO-Bewegung erfaßt, jedodi dabei nicht immer ganz weggeräumt. Namentlich in Nordeuropa
hält die tägliche Ausstrahlung dem durch Abtransport bedingten Kaltluftverlust meist die
Waage. Am häufigsten tritt diese Form der Vorfrontalzone in Lappland auf (vgl. Kapitel D3).
Dagegen findet sie sich sonst im Untersuchungsgebiet nur noch sporadisch in Island zwischen
einem im Norden abziehenden Tief und dem meist schmalen Zwischenhoch, clas oft nicht einmal
die Breite Islands einnimmt. Es kann durchaus dazu kommen, daß beide Formen der Vor
frontalzone gleichzeitig über Island ausgebildet sind: in N W-Island schwache Ostwärtsver
lagerung der zugeflossenen Kaltluft, in Südisland SO-Winde und in NO-Island C-Zone mit
Absinken und Strahlungsfrost.
Der Charakter der Kaltfront, also der Stirn des KE, wechselt außerordentlich. Wäh
rend bei den sehr kalten Nordostvorstößen an die Stirn der vordringenden Kaltluft meist keine
auffälligen Wettererscheinungen gebunden sind, ist dies bei Nordwestluftvorstößen sehr viel
anders. Im allgemeinen haben wir hier nach W. Schmidt (1910) die Vorstellung eines Böen
kopfes mit dunklem Cu-Gewölk, starkem Temperatursprung, Windsprung und heftiger, aber
ungleichmäßiger Niederschlagstätigkeit. Im einzelnen zeigt jedoch die Stirn eines NW-Vor-
stoßes recht verschiedenes Gepräge. Das geht daraus hervor, daß man vom meteorologischen
Standpunkt nach W. Peppier (1931 |a]) mindestens fünf Formen des Vordringens vonNordwest-
luft (um diese handelt es sich bei Peppiers Kaltluft) unterscheiden kann. Wir dürfen
jedoch diese feineren meteorologischen Unterschiede bei unserer großräumigen Betrachtungs
weise beiseite lassen.
Es ist eine allgemein bekannte Erscheinung, daß der Kaltlufteinbruch auf der Rückseite
eines Tiefs in mehreren Staffeln erfolgt, die gelegentlich kleine Sekundärfronten bilden und
sogar mit einer entsprechenden konvergenten Ablenkung des Windes einhergehen können;
also: SW-Wind — Böenkopf/Windsprung auf NW — Aufheiterung und Abflauen/langsames
Rückdrehen auf SW — erneuter Böenkopf/Windsprung auf NW bis N usw. Bei der hier ge
gebenen Beschränkung auf die Frosttemperaturen wird man auch im Winter oft die Vorläufer
der frischen Polarluft, die an sich schon den ersten glimpflichen (im Gebirge dagegen meist
schon recht energischen) Temperatursprung bedingen und rein meteorologisdi gesehen natür
lich ein Glied des Gesamtkaltluftstromes sind, außer Betracht lassen müssen, da die vorderste
Staffel eines KE als Abschluß einer milden Zyklonalperiode auch im Hochwinter vielfadi noch
Temperaturen von mehreren Wärmegraden hat.
Einen idealen Beleg für einen gestaffelten KE der geschilderten Art gibt das Beispiel des 7. Januar 1952. Fig. 3
enthält das Isobarenbild eines vom Skandik bis Stidscliweden reichenden kräftigen Tiefdrucksystems, das mehrere
Kerne enthält und auch randlidie Ausläufer aufweist. Die zugehörigen Kaltluftstaffeln der Rückseite dieses Systems
sowie die Temperatur-, Wind-, Bewölkungs- und Niederschlagsbeobaehtungen zeigt Fig. 4. Die Veränderung der
Temperatur gegenüber dem Vortage wurde in der unteren Zahl hinzug'eftigt, um auch die Staffeln kühlerer Luft
kennzeichnen zu können, die noch zu hohe absolute Temperaturwerte aufweisen, um schon in unserem Sinne als KE
zu gelten. Von den erkennbaren vier Staffeln ist die erste durch Windsprung und geringen Temperatimiickgaug
gekennzeichnet, besitzt aber noch mehrere Wärmegrade; aber erst die zweite über England bringt stellenweise Tem
peraturen um 0°, am Außenrande zum Azorenhoch hin jedoch auch noch relativ große Wärme. Diese Teile der zweiten
Staffel haben ja auch auf ihrem Anmarsch von NW her den längsten Wasserweg hinter sich. Die dritte und vierte
Staffel gehören dann auch in unserem Sinne voll und ganz zu dem KE, indem in ihnen durchweg negative Tempera
turen herrschen. Inwieweit zwischen den Färöern und Island noch eine weitere Kaltfront einzuschalten wäre, kann
aus Mangel an Beobachtungen nicht entschieden werden: der Winkel zwischen der Windrichtung auf den Färöern
(NW) und derjenigen über ganz Island (einheitlich N) legt dies an sich nahe.
Eine ausgeprägte Staffelung kann fast nur an Nordwestlufteinbrüchen studiert werden, nicht
dagegen in der gleichen Form bei Nordostlufteinbrüchen. Es ist eben nicht derart, daß eine
bloße Drehung der Luftdrucktopographie um 90° eine entsprechende Verlagerung der gleichen
Luftströmungstypen bedingt. Ein NW-KE bleibt stets etwas ganz anderes als ein solcher ans NO.
auch dann, wenn einmal die Warmluft aus NW 14 ), anstatt normalerweise aus SW einströmt,
und die Kaltluft aus NO (statt aus NW) in eben diesen Warmluftstrom vorstößt. Dieser Fall ist
14 ) Uh lisch (1936) hat gezeigt, daß sogar abnorm hohe Jamiartemper atmen hei Westwind mit Nordkomponente
eintreffen können (Karte 4, Fall II).