Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriuins. — 60. Band. Nr. 6/7.
Arbeitsthese festhalten: ein KE kann nur als solcher gelten, wenn sich sein Bereich mindestens
auf zwei Beobachtungsstationen der Wetterkarte, belegt durch 0° bzw. unter 0° bei offensicht
lich gleichsinnigem Lufttransport, erstreckt, und zwar während mindestens zweier Tage. Eine
einzelne Beobachtungsstation kann einen KE nur dann indizieren, wenn ihre Lage oder der
weitere Ablauf die Beobachtung als den Beginn oder Teil eines KE im Untersuchungsgebiet
rechtfertigen. Eintägige KE müssen daher normalerweise durch mehrere Beobachtungsstationen
eindeutig belegt werden. Dieser letztgenannte Fall wird insbesondere im Kapitel C2f noch
öfter behandelt werden.
Nachdem die Mindestforderungen an einen KE klargestellt sind, ist es möglich, seinen
Aufbau, soweit er geographisch wesentlich ist, zu untersuchen. Das Herkunftgebiet eines
KE liegt nicht immer im untersuchten europäischen Bereich, ganz besonders nicht bei den über
Island hinweg verstoßenden KE, häufiger dagegen bei NO im nordosteuropäischen und immer
bei ( im mitteleuropäischen Raume. Das als Wurzelzone des KE zu bezeichnende Her
kunftgebiet zeichnet sich aus durch Windstille bzw. schwache uneinheitliche oder umlaufende
Winde und starke Kaltluftansammlung. Diese Kaltluftansammlung kann, wie im Kapitel C5
noch besonders berührt wird, hauptsächlich an Ort und Stelle durch Ausstrahlung bedingt sein,
wie z. B. oft in Nordeuropa, oder aber vorangegangene Advektion von Kaltluft und begleitende
bzw. nachfolgende Ausstrahlung bei Absinken führen zu ausgedehnter Kaltluftbildung und
damit zur Hauptvoraussetzung der Entstehung eines Kaltluftvorstoßes. Die zuletzt genannte
Variante tritt in Mitteleuropa häufiger ein. Die Wurzelzone besitzt dabei nicht immer eine
große Breite, zumindest nicht die Windstillenzone: oft handelt es sich nur um eine schmale
Divergenzlinie von langgestreckter Form, die Strahlungswetter auf weist.
Von dem Begriff der Wurzelzone leitet sich der speziellere der ('-Zone innerhalb Skan
dinaviens her (vgl. das Beispiel S. 139). Es handelt sich um Calmenbildung in Zentralskandina
vien bei beiderseitigem Vbfluß der Kaltluft. Da diese Erscheinung ein Charakteristikum für
Skandinavien bildet, w urcle der Begriff der ( Zone oder Ka 111 uf tachse (vgl. S. 132) geprägt,
im Gegensatz zu dem allgemeineren der Wurzelzone, die kein Charakteristikum eines be
stimmten Gebietes darstellt.
Innerhalb zugeflossener Kaltluft, ganz gleich, welcher Herkunft, ist Absinken der Luft
massen eine häufige Erscheinung. Bei erlahmender Bewegungsenergie und kräftiger Ausstrah
lung tritt in zunehmendem Maße Schrumpfung und Absinken ein, wodurch die zugeführten
Kaltluftmassen in bezug auf ihre tatsächlichen wetterwirksamen Eigenschaften stärker ver
ändert werden. Bereiche absinkender Kaltluft können zu Wurzelzonen neuer KE heran wachsen,
insbesondere in den Fällen, wenn nach Nordwestlufteinbrüchen und nachfolgendem Absinken
in Mitteleuropa hier stärkere Kaltluftbildung durch Ausstrahlung eintritt. Bei geeigneten Luft
druckverhältnissen können aus diesem neuen Kaltluftkissen, das seine Entstehung dem Ab
sinken maritimer Polarluft in Verbindung mit Ausstrahlung verdankt, neue Kaltluftmassen
transporte in Richtung auf SW-Europa einsetzen.
Eine besondere Form des Absinkens findet sich regelmäßig
vor der Warmfront eines heranriiekenden Tiefs. Durch die
Front wird der Kaltluftstrom des abziehenden Tiefs entweder
abgestoppt oder verdrängt. Die Bewegung der Kaltluft kommt
zum Stehen, und im Zwischen bereich zwischen abziehendem
aktiven KE und heranrückender Front findet sich eine Diver
genzzone mit Absinkmngstendenz. etwa nach folgendem Schema:
Rückt die Front näher, dann kommen zunächst SO-Winde
auf. die die alte abgesunkene Kaltluft heranbringen (also ge
wissermaßen wieder zurücktransportieren), während in der
Höhe darüber bereits der Warmluftstrom bemerkbar ist, der
sich bald darauf auch um Boclen durchzusetzen pflegt. Die beiden Erscheinungen des Absinkens
zwischen Front und abziehendem aktiven KE sowie der Südostwinde unmittelbar vor bzw.
unter der Front gehören also einer Vorfrontalzone an. die besonders ausgeprägt am
Westrande der NW-Lufteinbrüche auftritt.