Bruno Heß: Zyklonenauflösung an einer Frontalzone.
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Im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Zyklone ist jedoch zu bedenken, daß neben
dem Einfluß des isobaren Dichtefeldes, das einen nach dem Boden hin zunehmenden Ostwind
erfordert, sich in unmittelbarer Bodennähe auch noch der Einfluß der Reibung geltend macht.
Infolge der Bodenreibung tritt nämlich unterhalb 500 m Höhe noch eine erhebliche Ab
weichung vom Gradientwind auf, welche in diesem Falle eine Verstärkung der Ostkomponente
(auf Kosten der Südkomponente) bedeutet. Dadurch entstanden die kräftigen bodennahen
Ostwinde, welche in den Wetterkarten auffallen und das ihrige dazu beitrugen, ein weiteres
Vordringen zyklonaler Warmluftmassen in Bodennähe zu verhindern.
In der mittleren und oberen Troposphäre konnte das zur Nordseezyklone gehörige
Höhentief dagegen mit der hochtroposphärischen West-Ost-Drift weiter driften. So ließen
sich in der absoluten und relativen Topographie der 500-mb-Fläche vom 20. Januar, 8 Uhr,
das Höhentief und der zugehörige troposphärische Kaltlufttropfen noch gut erkennen, während
sich eine Zyklonalströmung am Boden in keiner Weise mehr angedeutet fand.
Damit liegt hier ein Gegenstück vor zu der von R. Scherhag' in seiner Arbeit „Boden
isobaren steuern ein Höhentief’ untersuchten Zyklone. Während sich in beiden Fällen das
Höhentief als letztes Stadium einer zerfallenden Zyklone findet, ist in unserem Fall seine
Zugrichtung dem Verlauf der Bodenisobaren geradezu entgegengesetzt.
Wie in jenem Fall wird auch hier die Zugrichtung des Höhentiefs durch die großräumige
Dichteverteilung in der höheren Troposphäre bedingt.
Um so auffälliger ist, daß sich mit der weiteren Verlagerung des Höhentiefs zur
mittleren Ostsee nach weiteren 24 Stunden am Boden eine wie eine Tiefneubildung anmutende
Zyklonalströmung innerhalb des osteuropäischen Kaltluftblocks ausbilden konnte. Da diese,
wenn auch nur schwache Neubelebung bestimmt nicht auf eine troposphärische Warm- oder
Kaltluftadvektion zurückgeführt werden kann, so macht sich hier offenbar noch einmal im
Kleinen an der skandinavischen Ostküste der Einfluß von Land und Meer bemerkbar: Wenn
auch durch aerologische Messungen nicht direkt belegbar, so ist doch die Annahme nahe
liegend, daß hier in einer bodennahen Schicht ein entgegengesetzt gerichtetes Temperatur
gefälle herrschte, wie an der langgestreckten Frontalzone der arktischen Festlandskaltluft.
Im folgenden Abschnitt soll nun die zyklonenbildende bzw. auflösende Wirkung einer
Frontalzone eingehender untersucht werden.
3. Zyklonenauflösung an einer Frontalzone.
Offensichtlich befand sich Mitteleuropa während des ganzen Zeitraumes unserer Unter
suchungen im Bereiche einer gut ausgeprägten Frontalzone zwischen arktischer Festlandsluft
einerseits und milderer Meeresluft andererseits. Das Bemerkenswerte daran ist nun, daß an
Arm. d. Hydrogr. 1937, S. 27.