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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 59. Band Nr. 7
ln der Tat müssen Aufgleitprozesse eine Aufrichtung der Flächen gleicher potentieller Temperatur und
damit eine Instabilisierung zur Folge haben, wenn sie in der eingangs beschriebenen Art sich abspielen. Ein
solcher Vorgang stellt eine Vertikalzirkulation um eine horizontale Achse dar.
Insbesondere ergibt sich, daß man die Verlagerung des Kaltlufttropfens vom 12. zum 13. Mai nicht
als Transport eines unveränderten Luftkörpers zu betrachten hat. Vielmehr bewirken die im Gebiet der
Höhenströmungskonvergenz eintretenden Zirkulationen, daß das Gebilde an dieser Stelle ständig neu erzeugt
und neu angebaut wird.
Die Bewegung des Kaltlufttropfens hat man sich also nicht als Verfrachtung eines starren Gebildes,
sondern als einen Vorgang vorzustellen, der mit den Gleitbewegungen auf das engste verknüpft ist, und durch
den wesentliche Eigenschaften eines Luftkörpers (z. B. der vertikale Temperaturgradient) ständig neuen Luft
massen aufgeprägt werden. Einen Vergleich bietet die ständige Auflösung und der ständige Abbau einer
lokalen Hinderniswolke, wie die Wolkenbildung überhaupt.
Auch am 13. Mai zeigen die isallobarischen Gebilde am Boden unregelmäßige Gestalt und geringe
Änderungswerte. Die lokalen Druckänderungen in der Höhe werden im wesentlichen durch die Verlagerung
des Höhentiefs bedingt (Karte 9).
Am 14. Mai ist der Höhepunkt in der Entwicklung des Aufgleitgebietes überschritten. Ein geschlossenes
Gebiet mit Aufgleitbewölkung ist vorhanden, aus dem jedoch nur noch vereinzelt Niederschläge fallen
(Karte 4).
Die relativen Topographien der 500-mbar-Fläche vom 13. und 14. Mai zeigen, daß bis zum 14. allgemeine
Abkühlung eingetreten ist (Karten 7 und 8). In der absoluten Topographie ist im Niveau 500 mbar das
Höhentief nur noch in einem V-förmigen Gebilde zu erkennen (Karte 8). Im weiteren Verlauf wandert diese
Teildepression nach Nordosten ab.
Zusammenfassend läßt sich über die Vorgänge in der Atmosphäre vom 12. und 13., soweit sie mit dem
Eindringen des Höhentiefs in den mitteleuropäischen Raum in Beziehung stehen, folgendes aussagen.
Wetterwirksam sind die Vertikalzirkulationen, wie sie in entgegengesetztem Sinne im Gebiet der
Höhenströmungskonvergenz und -divergenz stattfinden.
Außerdem führt das Höhentief eine Zirkulation in der Horizontalen um eine vertikale Achse aus, die
ursächlich mit den ein tretenden Gleitbewegungen zusammenhängt.
Als Ergebnis beider Bewegungen findet speziell im Gebiet der Höhenströmungskonvergenz ein Aufbau
von potentieller Energie der Massenverteilung in horizontaler (Neubildung von Solenoiden) und in vertikaler
Richtung (Instabilisierung), außerdem ein Aufbau von Energie der Druckverteilung statt. Im Verlauf dieser
Prozesse wird jedoch die Konvergenz selbst dem Betrage nach abgebaut; das heißt, in ihrem Bereich zeigen
die Isobaren das Bestreben, sich parallel zu legen. Nachdem diese Entwicklung zum Abschluß gebracht ist,
kann die vorher aufgebaute Massenanordnung nicht aufrechterhalten werden und bricht zusammen.
Für die Divergenz gelten die umgekehrten Überlegungen. Insbesondere sei darauf hingewiesen, daß
sich dieselbe im Verlauf der Entwicklung dem Betrage nach noch verstärkt.
C. Die Rolle der thermodynamischen Gleitsteuerung bei der Wetterlage.
Bei der Beschreibung der Wetterlage am 11. Mai wurden bereits die Gesichtspunkte herausgestellt, die
darauf hinweisen, daß an diesem Tage im mitteleuropäischen Raum eine Neigung zum Aufgleiten zu beob
achten ist. Ebenso wurde gezeigt, daß die Witterung im Südosten und hier insbesondere die Art der Bewöl
kung darauf hinweisen, daß die Temperaturverhältnisse in der Atmosphäre durch Einstrahlung geändert
werden.
Die energetischen Verhältnisse in dem Grenzgebiet zwischen der Warmluft und dem über Nord
deutschland liegenden Luftkörper lassen sich durch einen Vertikalschnitt Berlin—Breslau charakterisieren.
Die in dem durch die beiden Aufstiegsstationen begrenzten Raum zwischen den Höhenstufen 1000 und 5000
dynm pro Masseneinheit vorhandene Zirkulationsbeschleunigung wurde für die Tage vom 11. bis 14. Mai
1936 errechnet. Ausgeführt wurde die Bestimmung mit Hilfe des von A. Refsdal 11 angegebenen Diagramm-
papieres, das nach Einträgen gleichzeitiger Aufstiege es gestattet, die Anzahl der zwischen zwei Orten vor
handenen Solenoide durch Planimetrieren anzugeben.
Die gefundenen Werte sind in Tabelle 1 zusammengestellt: