Otto Geil : Gleitbewegungen bei der Wetterlage vom 11. bis 13.Mai 1936 und die Theorie der Zirkulationsleitung 5
EINLEITUNG.
Im Wettergeschehen unserer Breiten spielen Gleitvorgänge eine wichtige Rolle. Wird zu einem be
stimmten Zeitpunkt die Weiterentwicklung durch derartige Prozesse bedingt, so stehen sich im Kartenbild
Auf- und Abgleitgebiete gegenüber. Ihren Ausdruck findet das Wirken dieser Bewegungen im Bewölkungs
zustand der betroffenen Gebiete und insbesondere auch in eigentlichen Wettervorgängen, die mit Nieder
schlägen verbunden sind. Die Eläufigkeit ihres Auftretens bedingt, daß eine Fülle von synoptischen Bearbei
tungen zur Klärung solcher „Wetterwirkungen“ angestellt worden ist. Für solche Untersuchungen hat in
neuerer Zeit die norwegische Zyklonentheorie häufig die theoretische Grundlage gegeben. In ihr nimmt die
Deutung wetterwirksamer Prozesse eine hervorragende Stellung ein. Als grundlegende Arbeiten, die sich
allein mit Wetterwirkungen befassen, seien genannt die Veröffentlichung „Energetik des Wetters“ von
G. Stüve und R. Mügge 1 , sowie die Arbeit von P. Sieber: „Über den Einfluß von Druckänderungen auf das
Wetter 2 “. Zunächst soll dargelegt werden, wie man sich nach den zuletzt genannten Verfassern den Mechanis
mus und das Zustandekommen von Gleitbewegungen vorzustellen hat. Dabei wird das Prinzip der poten
tiellen Temperaturflächen betont:
In der stabil geschichteten Atmosphäre nehmen die Flächen gleichen Druckes und die Flächen gleicher
potentieller Temperatur eine besondere Stellung ein. Letztere fallen mit den Flächen gleicher Entropie
zusammen. Setzt man die Gültigkeit eines Variationsprinzipes derart voraus, daß die sich abspielenden Pro
zesse den geringsten Energieaufwand benötigen, so läßt sich zeigen, daß die Massenumlagerungen in einem
Gleiten entlang den Flächen gleicher potentieller Temperatur bestehen müssen. In diesem Falle ist keine
Komponente normal zu den iseniropen Flächen vorhanden. Es braucht keine Arbeit gegen die Stabilität der
Atmosphäre geleistet zu werden, und lediglich die Überwindung der Reibung verlangt einen gewissen
Arbeitsaufwand, dessen Betrag wechselt mit der Stabilität und damit mit der Dicke der Luftpakete, innerhalb
deren sich die Austauschvorgänge und die Massenumlagerungen erschöpfen.
Die Wetterwirksamkeit einer so definierten Gleitbewegung ist fast immer gewährleistet, da die iso-
baren und die isentropen Flächen im allgemeinen nicht zusammenfallen. Das Gleiten nach dem vorbesdhrie-
benen Prinzip stellt aber in diesem Falle eine anisobare Bewegung, also für das einzelne betroffene Luft
quantum eine individuelle Druckänderung dar. Hier tritt eine Verknüpfung zwischen individuellen Druck
änderungen und Gleitbewegungen zutage, in deren Verfolgung man erhoffen darf, einen Einblick in den
Mechanimus von Auf- und Abgleitgebieten zu erlangen. Insbesondere muß sich, wenn Gleitbewegungen
sich in der angenommenen Art abspielen, in Einzelfällen ein gebietsmäßiger und in bestimmter Richtung
vorhandener Zusammenhang zwischen Druckänderungen und Gleitbewegungen nachweisen lassen.
Erschöpfen sich die Massenumlagerungen wesentlich in einem Gleiten entlang den Flächen gleicher
potentieller Temperatur, so kann man nach dem Vorgang von R. Mügge 8 von stabilen Gleitvorgängen
sprechen. Er hat darauf hingewieen, daß das Vorhandensein von Lenticularisformen aller Größenordnungen
in der Bewölkung ein Anzeichen dafür ist, daß solche Prozesse sich abspielen. In diesem Sinne gehört also
auch die gewöhnliche Schichtbewölkung der Gleitvorgänge zu den Lenticularisformen riesigen Ausmaßes.