Ludwig Schnebel: Beitrag zur Zyklogenese. 7
ergebenden, nahezu west-östlichen Drudegradienten resultiert eine kräftige Südströmung.
Entsprechend der feuchtwarmen Meeresluft einerseits und der kontinentalen Kaltluft anderer
seits erhalten Westeuropa und Osteuropa einen sehr versdiiedenen Wetterablauf.
Einem Orkantief, das im Innern wesentlich aus Kaltluft aufgebaut ist, steht im Süden das
Warmlufthoch, im Osten das kalte kontinentale Hochdruckgebiet gegenüber. In der unteren
Troposphärenhälfte folgt hieraus eine Verstärkung des Druckgradienten mit zunehmender
Höhe südlidi der Mutterzyklone, eine Abnahme östlidi derselben. Mit der weiteren Verflachung
dieses ostwestlichen Druckgefälles hängt es zusammen, daß in dem Kältehoch eine verstärkte
Absinkbewegung und ein weites wolkenloses Gebiet entsteht, während dies innerhalb des
Atlantikhochs nicht so der Fall ist. Denn die in den untern Schichten wirkende und zur Wolken
auflösung führende Divergenz ist im Rußlandhoch am besten entwickelt, und büßt erst mit
dem am 25. einsetzenden, weit verbreiteten Druckfall ihren Einfluß ein.
In der großen zonalen Strömung zwischen Islandtief und Azorenhoch entsteht neben ande
ren Randzyklonen, die bereits vorher (Vorstörung) und auch noch nachher (Nachstörung) von
dort aus gegen den Kontinent anlaufen, in der Nacht vom 24. zum 25. Januar die unserer Be
trachtung zu Grunde liegende „Hauptstörung“, die am 26. Januar über Holland den Höhepunkt
ihrer Entwicklung erreicht. Sehr bald nachdem ihre Isobaren sich geschlossen haben, beginnt
schon die langsame Verflachung des Bodentiefs. Sein Kern erhält sich bis um 19 Uhr des nach
folgenden Tages. Der niedrigste Druck in dieser Randzyklone beträgt am 25. um 14 Uhr
992 mb, der höchste, kurz vor ihrer endgültigen Auflösung, am 26. um 19 Uhr 1002 mb.
Im nachfolgenden sei die Entwicklung an Hand der Druckkarten kurz beschrieben:
Die 8-Uhr-Karte vom 2 4. Januar zeigt uns das Rußlandhoch einerseits, das Islandtief
andererseits auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung. Der Kern des isländischen Orkanwirbels
bewegt sich in den nächsten 24 Stunden aus seiner Lage südlich Island nach Nordwesten. Er
gelangt so an einen Punkt südwestlich von Island, in etwa gleicher Breite mit der Südspitze
Grönlands. Dadurch vergrößert sich der Abstand zwischen den Kernen des ost-westlichen
Drucksystems. Gleichzeitig bewirkt der am Nachmittag des 24. einsetzende, weit verbreitete
Druckfall über Rußland den Abbau des Kältehochs. Trotz der somit verursachten Verringe
rung des west-östlichen Druckgradienten findet durch die Entwicklung unserer „Hauptstörung“
gerade über dem Nord-Ostseeraum eine starke Drängung der Drucklinien statt. Dies ist der
Anlaß zu den kräftigen Winden, welche, obwohl sie ablandig sind, zeitweise Stärke 11 erreichen.
Im Höhendruckfeld vom Vormittag des 2 5. Januar ist in dem betrachteten Gebiet eine
von England weit nach Mitteleuropa hineinreichende Tiefdruckzunge festzustellen. Unsere
Hauptstörung wird vom Höhendruckfeld noch nicht erfaßt, jedoch bezeugen das Isallobaren-
gebilde, die Wolkenanordnung und Niederschläge, daß der große Tiefdruckausläufer am Boden,
welcher sich über Irland, England bis hinunter nach der Westküste des mittelländischen Meeres
erstreckt, keine reine „Bodenangelegenheit“ ist, sondern ein Vorgang, der bereits die gesamte
Troposphäre erfaßt hat. Ein weiteres Niederschlagsgebiet, das genetisch nichts direkt mit
unserer Hauptzyklone zu tun hat, hält sich während der ganzen Zeit der Betrachtung in einem
breiten Streifen um die Adria. Es ist im wesentlichen orographisch bedingt, indem die Druck
verteilung dafür sorgt, daß die feucht-warme Meeresluft an den Küsten zum Aufsteigen
gezwungen wird. Das kleine Tief über Süddeutschland ist ein „Bodenrest“ der Vorstörung.
Die Höhenwinde lassen erkennen, daß es sich bei ihm nicht um ein hoch reichendes, selbstän
diges Zirkulationssystem handelt.
Das zu dem Tiefdruckausläufer gehörige Druckfallgebiet zeigt eine einfache und über
sichtliche Gestalt, eine nahezu konzentrische Anordnung der Isolinien. In ihm beobachten wir
überwiegend Schichtbewölkung, die sich mit Annäherung an die Null-Isallobare immer mehr in