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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 59. Band, Nr. 5
möglichst die natürlichen Temperatur-, Strahlungs- usw. Verhältnisse gewahrt blieben. In Analogie zu dem
in der freien Elbe beobachteten Verhältnissen mußte nach 24 Stunden mit einem stärkeren NOo'-Rückgang
gerechnet werden. Statt dessen erhielt ich auch am 23. Juni einen NOo'-Wert von 60 mg/m 3 ; das Nitrit war
also durch die Entfernung aus dem freien Strom konserviert worden. Am 24. und 26. Juni durchgeführte
Analysen desselben Wassers ergaben nach wie vor einen Wert von 60 mg/m 3 . Dieses Verhalten der natür
lichen Nitritlösung in vitro entspricht völlig dem stabilen Charakter von N0 2 '-I.ösung pro analysie in aqua
dest. (siehe methodischer Teil). Ich konnte mir jedoch nicht erklären, was den erstaunlichen Unterschied der
N0 2 '-Entwicklung ein und desselben Wassers im freien Strom und in vitro bedingt. So nahm ich denn an,
daß das überhaupt nicht mit gesundem Stromwasser in Berührung gekommene Hafenwasser der erforder
lichen Nitratbakterienkeime und des Phytoplanktons entbehre und impfte daher auf einer nächsten Unter
elbreise (30. Oktober 1937) stark N0 2 '-haltiges Schulauer Elbwasser mit reinem Pagensander Wasser. Das
Mischungsverhältnis war 1 : 10 und das so gewonnene Wasser hatte knapp 70 mg N0 2 '-N/m 3 . Nach ein-
und viertägigem Stehen ergab die Probe auch diesmal wieder denselben Wert von 70 mg/m 3 . Die Impfung
mit frischem Wasser hatte also keinen Einfluß auf den N0 2 '-Abbau ausgeübt. Das gleiche Ergebnis erhielt
ich bei 2 weiteren Untersuchungen, die analog durchgeführt wurden. Aus diesen Experimenten erhellt, daß
der natürliche, auf biologischer Grundlage beruhende N0 2 '-Schwund unterhalb der Selbstreinigungszone sich
nicht in vitro entwickeln kann, wenigstens nicht unter den vor mir angewandten, relativ primitiven Verhält
nissen. Immerhin scheint mir die genaue Ergründung des Mechanismus des unterelbischen Stickstoffkreis
laufs sowohl in hydrographischer, biologischer und bakterieller Hinsicht von größerem Interesse und der Be
achtung in Zukunft wert. Die Selbstreinigungszone variiert übrigens an Intensität, wie Ausdehnung im Laufe
der Jahreszeiten außerordentlich. So wurden während der April- und teilweise auch noch Mai-Reisen relativ
niedrige und recht gleichmäßig verteilte NO a '-Werte auf der Unterelbe (etwa 20 mg) beobachtet. Diese Ver
teilung stellt höchstwahrscheinlich den Ausklang des ausgeglichenen Winterzustandes dar. Die biologisch
bakterielle Selbstreinigung ist nur schwach entwickelt und erstreckt sich über das ganze Stromgebiet, um bei
der Oste kontinuierlich in die N0 2 '-Werte der Wattenzone überzugehen. Ende Mai hat sich das Bild grund
legend geändert. Intensivere Strahlung und Temperaturzunahme beschleunigen den Selbstreinigungsprozeß,
der sich daher schon im oberen Teil des Stromlaufes abspielen kann, und zwar wesentlich spontaner als vorher.
Es entwickelt sich, zunächst in der Gegend von Brunshausen, ein ausgeprägtes N0 2 '-Maximum von fast 100 mg,
während unterhalb dieses Punktes die planktonische Zehrung das Nitrit verbraucht hat. Erst in der meso-
halinen Zone beginnt aus oben schon dargelegten Gründen eine erneute Nitritentwicklung, die aber 20 bis
40 mg nicht übersteigt. In seinen Hauptzügen bleibt dieser Zustand bis in den Herbst hinein erhalten, wenn
sich auch das Selbstreinigungsmaximum im Verlaufe des Hochsommers immer stärker entwickelt (etwa
110 mg!) und dabei bis kurz unterhalb des Hamburger Hafens wandert. Im Herbst klingt dann die maximale
Selbstreinigung wieder aus und verlagert sich weiter flußabwärts, um im Dezember langsam in die gleich
mäßige winterliche Verteilung von 20 mg überzugehen. Der Nitritgehalt des Winters und frühen Frühjahrs
weicht also wesentlidi von dem in Abb. 20 dargestellten Mittelwert ab. Wir sehen weiter, daß nur vom
Frühjahr bis Herbst von einem schärferen Abschluß des Selbstreinigungsprozesses im Verlaufe der Unter
elbe die Rede sein kann, während im Winter die schwach entwickelte Selbstreinigung unmerklich im Brack
wassergebiet ausklingt.
IX. Zusammenfassung.
Die wichtigsten Resultate dieser systematischen hydrochemischen Untersuchungen mit besonderer Be
tonung der Nährstoffkomponenten liegen sowohl auf methodischem Gebiet wie in den praktischen Unter
suchungen selbst.
Es wird eine eingehende Beschreibung des objektiven, mit Selen-Sperrschichtphotoelementen arbeiten
den Elektrokolorimeters gegeben, das speziell für meereskundliche Zwecke neu konstruiert werden
mußte. Die Genauigkeit dieses Apparates genügt vollauf zur Erfassung der großen Schwankungen der ein
zelnen Faktoren im Bereich der Elbmündung. Im übrigen läßt sich bei einem zukünftigen Elektrokolorimeter
die Genauigkeit durch Einführung verschiedener Verbesserungen noch weiter steigern.
Besonders schwierig ist die Filtration des trüben Brackwassers. Die zeitraubende
Arbeit mit den sog. Blaubandfiltern (Porenweite < 1 m) ist bei quantitativen chemischen Serienarbeiten die
einzig mögliche. Durch Überlagerung dieser Filter mit den sog. Weißbandfiltern (Porenweite immer > 1 ,u)
werden die gröberen Teile des Detritus vom Blaubandfilter ferngehalten und die Bildung des verstopfenden
„Filterkuchens“ verhindert. Außerdem gelang es noch, durch Verlängerung der Kapillaren um 30 cm die
Filtrationszeit von etwa 1 Stunde auf 15 bis 20 Minuten herabzudrücken.
Bei den chemischen Bestimmungen wurden die Methoden von Kalle in ihren Hauptzügen
übernommen, und einige, speziell für stärkeres Brackwasser erforderliche Veränderungen durchgeführt.
Es folgt eine genaue Beschreibung des ganzen Analysenvorganges und eine Aufstellung der Angabe
genauigkeit der einzelnen Faktoren. Durch Kontrollproben wurde festgestellt, daß die aus Gegenversuchen
resultierende Fehlergrenze nicht überschritten wird und die Methoden zuverlässig arbeiten. Es wird dann
noch kurz auf die Durchführung der Beobachtungen im Untersuchungsgebiet und die Lage der Sta
tionen eingegangen.