Hans Lüneburg: Hydrochemische Untersuchungen in der Elbmündung mittels Elektrokolorimeter
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des Fahrwassers, aber nicht in unmittelbarer Ufernähe am intensivsten aufwärts strömt. Bedenkt man noch,
daß die mit „Nordseite-Fahrwasser“ bezeichnete Stelle des Stromquerschnittes mit der nördlichen Fahr-
wassertonnenlinie zusammenfällt, die noch lange nicht die nördliche Strombettbegrenzung darstellt, so
erhellt erst recht, wie ausgesprochen südlich das Flutwasser aufwärts setzt. Ich konnte übrigens am Cux-
havener Bollwerk selbst beobachten, wie nach Niedrigwasser der erste Flutstrom unmittelbar am Südufer
einsetzt, während an der Nordseite noch lange (V2 Stunde und mehr) das Ebbwasser seewärts läuft.
Der Ebbquerschnitt zeigt besonders in der Trübung, in geringerem Maße auch in der Verteilung der
CF-, Si- und NCV-Werte das Herandrängen des Ebbwassers an die rechte Elbseite; die Erhöhung der Si-,
PO4'"- und NCV-Werte unmittelbar am Bollwerk beruht auf der häufig am Südufer bei Cuxhaven beob
achteten organisdren Verschmutzung durch die dort austretenden Cuxhavener Hafen- und Sielabwässer. So
enthielt z. B. eine am Bollwerk geschöpfte Probe 120 mg P0 4 "'-P/m 3 gegen nur 32 mg einer gleichzeitig im
freien Flutwasser des Stromes geschöpften Probe. Man kann also mit Recht annehmen, daß die Werte der
südlichsten Station des Querschnittes durch die Cuxhavener Abwässer verfälscht sind.
Da die wenigen Querschnittsstationen bei Elbe 1 recht gleichförmige Werte aufweisen, habe ich auf
deren graphische Darstellung verzichtet und sie nur tabellarisch zusammengestellt:
Verteilung der Faktoren im Elbe-1 -Querschnitt
(Mittel aus 3 Einzelschnitten vom 30. 5., 29.6. und 17.8.1937)
T-K Cl'%o Gelbstoff-K mg Si mg PQ 4 '"-P mgNQ 2 '-N
Süd . .
. 130
17,05
40
110
4,1
2
Mitte . .
. 130
16,88
50
90
3,8
2
Nord . .
. 120
16,79
50
110
3,8
2
Wie schon oben erwähnt, strömt das eigentliche Elbbrackwasser teils zwischen Gelbsand und Vogel
sand und weiter durch die Norderelbe, teils über den tieferen, westlichen Groß-Vogelsand nach NW ab und
erreicht meist nicht den Elbe-l-Querschnitt (siehe Abb. 10), was dort den geringen Nord-Süd-Gegensatz
bedingt. Die schwache Cl'-Abnahme von Süd nach Nord deutet jedoch darauf hin, daß Station 1 nicht völlig
außerhalb des Bereidres des nach redrts abgelenkten Elbabflusses liegt.
Bei den eben diskutierten Querschnitten begegnen wir der Erscheinung, daß ein Wasserkörper- und
Strömungsgegensatz zwisdien den beiden Fahrwasserseiten besteht, eine Erscheinung, die uns ja schon aus
der Gegend der Scharhörnkonvergenz und der Mittelgrundkonvergenz vertraut ist (siehe oben). Es läßt
sich also für die ganze Elbmündung verallgemeinern, daß sich das salzigere und schwerere Flutwasser
mit seinem Kern an der Südseite des Elbfahrwassers, das brackigere Ebbwasser hingegen an der Nordseite
befindet. Dieser Zustand hat seine Ursachen in den topographischen Verhältnissen der Außenelbe (Führung
der Wassermassen durch die Sdrarhörnrinne und durch das Klotzenloch) und vor allem in der nach rechts
ablenkenden Scheinkraft der Erdrotation.
VIII. Bemerkungen zum Problem der S e 1 b s t r e i n i g u n g s z o n e .
Abschließend sei noch einmal näher auf die interessanten Fragen des Selbstreinigungsvorganges in der
Unterelbe eingegangen. Bei der allgemeinen Auswertung der Ergebnisse sahen wir, daß das im Hamburger
Hafen je nach seiner iMenge mehr oder minder stark mit Abwässern belastete Oberwasser auf seinem weiteren
Wege elbabwärts einem, meist bei Schulau maximal entwickelten Selbstreinigungsprozeß unterworfen ist, der
zum großen Teil auf Oxydation und Mineralisation durch Bakterien beruht. Ein Glied in der Kette dieses
Abbaues stellt das Nitrit dar, das infolge seiner leichten Analysierbarkeit ein zuverlässiges Kriterium für
Ausmaß und Ausdehnung der Selbstreinigung ist. Wir sahen weiterhin, daß die Selbstreinigung im Durch
schnitt (des 2.—4, Quartals) in der Brunshausener Gegend einen plötzlichen Abschluß findet und in das
saubere, nitritfreie Stromwasser beim Pagensand übergeht. Der hohe Nitritgehalt wird also auf der kurzen
Strecke von nur wenigen Seemeilen weitgehendst entweder vom Pagensander Phytoplankton direkt bei der
Assimilation verbraucht oder durch Nitratbakterien weiter oxydiert. Die Nitritabnahme von im Mittel 40 mg
und mehr pro m 3 auf ca. 5 mg/m 3 erfolgt spontan in kurzer Zeit, die angenähert auf folgende Weise bestimmt
werden kann:
In der Pagensander Gegend läuft ein mittlerer Flutstrom von rund 1,5 Knoten und ein mittlerer Ebb
strom von knapp 2,0 Knoten, somit ein seewärtiger Reststrom von etwa 0,4 bis 0,5 Knoten. Der Abstand
zwischen den noch hohen Nitritwerten bei Brunshausen und der Nitritzehrung am nördlichen Pagensand
beträgt höchstens 5 Sm, so daß das nitritreiche Wasser bei Brunshausen {unter Eliminierung der Tide) in
10 bis 12 Stunden bestimmt am nördlichen Pagensand angelangt ist, wo es meist als sehr nitritarm befunden
wurde; d. h. der Vorgang der Nitritbeseitigung erfolgt in der kurzen Zeit von höchstens 12 Stunden. — Um
diese Überlegung experimentell zu erhärten, nahm ich am 22. Juni 1937 einige Liter stark N0 2 '-haltigcn
Hafenwassers (60 mg/m 3 ) auf und analysierte es ein zweites Mal nach eintägigem Stehen im Freien, wobei