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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 6
T
oben erörtert, die Reibung am Erdboden mittels des Vertikalaustauschs den Vorrat an potentieller Energie erheb
lich mindert, so muß man gerade bei starkem Vertikalaustausch erwarten, daß die horizontalen Dichteunterschiede
und die vertikalen Unterschiede des Stromimpulses in grober Näherung verschwinden („Austauschgleichgewicht“).
Auf jeden Fall müssen die Gradientwindfelder der freien Troposphäre bei starkem Vertilkalaustausch wesent
lich kleinere horizontale Dichteunterschiede zeigen, als bei geringem Vertikalaustausch. Entsprechendes gilt
selbstverständlich (nach Gl. (3) ) für die vertikale Veränderlichkeit des Stromimpulses, also für die Beträge
8 (p • P)
§z
und
5 (p -v)
Sz
Aus den aerologischen Temperaturmessungen wissen wir, daß ausgedehnte Antizyklonen
wesentlich geringeren Vertikalaustausch enthalten, als zyklonale Wetter
lagen ; die typischen Temp-Kurven stationärer Antizyklonen zeigen eine ausgesprochen blätterige Struktur der
Troposphäre, zahlreiche kleine Temperaturinversionen unterbrechen als „Sperrschichten“ den vertikalen Austausch.
Demgegenüber zeigen zyklonale Wetterlagen wesentlich glattere „Temp-Kurven“; keine oder nur vereinzelte örtlich
beschränkte Inversionen sperren den Vertikalaustausch. In den großen stationären Antizyklonen ist die
Troposphäre vertikal geschichtet in zahlreichen übereinander liegenden und durch kleine Inversionen
voneinander getrennten Schichten; dagegen sind für die zyklonalen Wettervorgänge ausgedehnte Verti
kalumlagerungen wesentlich.
Die nachfolgend von W. Stiemke mitgeteilten Dichtekarten zeigen dementsprechend die Unterschiede
der zyklonalen und antizyklonalen Dichtefelder deutlich: In ausgedehnten Antizyklonen werden
starke horizontale Dichteunterschiede fast ausschließlich durch das Tempe
raturfeld bestimmt; warme Gebiete haben geringere Dichte, als kalte Gebiete. In den Zyklonen dagegen
gewinnt das Druckfeld einen entscheidenden Einfluß auf das Dichtefeld. Diese Tatsache haben wir nach den oben
gegebenen Erörterungen folgendermaßen zu deuten: In den großen Antizyklonen kann ein größerer Vorrat an
potentieller Energie der Luftmassen im Schwerefeld erhalten bleiben ohne intensive Energieumsetzungen; der
geringe Vertikalaustausch läßt eine solchen Energievorrat bestehen ohne entsprechende Energieabgabe durch
Reibung. Dagegen steht in Zyklonen wegen des dort vorhandenen starken Vertikalaustauschs der Vorrat an poten
tieller Energie in unmittelbarem Verhältnis zum Energieumsatz. Letzterer hängt natürlich eng mit dem Druckfeld
zusammen, und daher ist in Zyklonen auch der Energievorrat wesentlich vom Druckfeld abhängig und außerdem
— im Verhältnis zum Energieumsatz -— geringer, als in den großen Antizyklonen.
3) Die Alterung der Zyklonen:
Nach den vorstehenden Erörterungen kann man in der allgemeinen Zirkulation der Atmosphäre die großen
Antizyklonen als Sammelstellen der Energie auffassen und die Zyklonen als Zen
tren des Energieumsatzes und Energieverbrauchs. Dementsprechend müßte die Lebens
geschichte einer Zyklone beginnen mit einem Dichtefeld, welches mit demjenigen der Antizyklonen eine gewisse
Ähnlichkeit hat und endigen mit verschwindenden Dichteunterschieden. Diese Anfangs- und Endphase ist selbst
verständlich in den Zyklonen nicht zu finden; die Anfangsphase ist erfüllt, ehe die Zyklone als solche erkennbar
ist, die Endphase kann erst dann erfüllt sein, wenn keine Zyklone mehr da ist. Aber zwischen dieser Anfangsphase
und Endphase nimmt die Entwicklung des Dichtefeldes einen charakteristischen Weg, welchen man als „Alterung“
der Zyklone bezeichnen kann: Das Dichtefeld in einer jungen Zyklone zeigt — neben der Druckabhängigkeit —
eine sehr starke Abhängigkeit vom Temperaturfeld; der Warmsektor — bzw. die sogenannte „Okklusionsfront“ —
ist gleichzeitig ein Gebiet geringster Dichte. Diese Temperaturabhängigkeit des Dichtefeldes verschwindet aber
im Laufe der Zeit, und es bleibt nur noch ein Dichtefeld, welches im Druckminimum der Zyklone geringste Dichte
hat. W. Stiemke zeigt im folgenden, daß von diesem Zeitpunkt an die Zyklone sich nicht mehr vertieft, son
dern auffüllt. Diese sehr auffällige Erscheinung kann nach den vorstehenden Betrachtungen nur folgendermaßen
gedeutet werden:
Solange das horizontale Dichtefeld der Zyklone wesentlich vom isobaren
T e m p e r a t u r f e 1 d abhängig ist, wird mechanische Energie gewonnen aus ther
modynamischen Kreisprozessen. In dies m „Jugendstadium“ der Zyklonen kann daher die poten
tielle und kinetische Energie anwachsen. Wenn aber das horizontale Dichtefeld nur vom
Druckfeld abhängig ist (mit kompensierendem Temperaturfeld), wird nur noch die vor