Prof. Dr. P. Raethjèn: Dynamik des „horizontalen“ Dichtefeldes.
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Dynamik der „horizontalen“ Diclitefelder
von P. Raethjen.
Luftdichte p, Luftdruck p und (virtuelle) Lufttemperatur T sind allenthalben voneinander abhängig nach
der Gasgleichung:
(1)
P
P
R T ’
wobei R die Gaskonstante für atmosphärische Luft ist. Die Luftdichte ist also einerseits proportional dem Druck,
andererseits umgekehrt proportional der (virtuellen) Temperatur. Daher sind die isobaren Dichteunterschiede im
wesentlichen identisch mit den isobaren Temperaturunterschieden (bei umgekehrtem Vorzeichen). Die sogenannten
relativen Topographien“ — z. B. die Karten, welche die Höhe der 500-mb-Fläche über der 1000-mb-Fläche in
Isohypsen darstellen — sind also gleichzeitig isobare Dichtekarten und isobare Temperaturkarten. Diese iso
baren Dichtefelder, welche die mittlere Dichte zwischen zwei Isobarenflächen kartenmäßig darstellen, sind be
reits allgemein im Gebrauch und haben sich vielfach bewährt. Man kann aber aus diesen Karten nicht ohne
weiteres ersehen, ob und welche horizontalen Dichteunterschiede auf treten; die isobaren Dichteunterschiede
sind von den horizontalen Dichteunterschieden wesentlich verschieden. Besonders in den Zyklonen gilt diese Ver
schiedenartigkeit, wie man aus den nachfolgend von W. S t i e m k e mitgeteilten Dichtekarten ersieht. Nichts
destoweniger sind gerade die horizontalen Dichteunterschiede für die Wetterdiagnose und Wetterprognose
sehr bedeutungsvoll, bedeutungsvoller, als die „relative Topographie“. Worin die prognostische Bedeutung der
„horizontalen Dichtefelder“ besteht, wird die Arbeit von W. Stiemke zeigen; es bleiben aber dabei noch zwei
wichtige Fragen offen, welche beantwortet werden müssen, um eine Gesamtwürdigung des hier erstmalig ange
schnittenen Problemkreises zu finden:
I. Quasihistorische Fragestellung:
Warum hat man bisher nur isobare Dichtekarten verwendet und nicht horizontale? Hierfür liegt ein dyna
mischer Grund vor und ein synoptischer:
1) Dynamischer Grund:
Wenn man die atmosphärischen Luftbewegungen unter der Hypothese verschwindender Rei
bung theoretisch-dynamisch untersucht, so ergibt sich, daß die isobaren Dichteunterschiede (die Bjerk
nes sehen 1 Solenoide) außerordentlich wichtig sind für die Zirkulationen, dagegen zeigen die horizontalen
Dichteunterschiede sich als mehr oder weniger belanglos. Dem Dynamiker, welcher gewohnt ist, bei seinen Rech
nungen die Reibung außer acht zu lassen, oder sie jedenfalls erst nachträglich korrekturweise einzuführen, mußten
daher notwendig die isobaren Dichtefelder wichtiger sein, als die ho rizontalen.
2) Synoptischer Grund:
Dem Synoptiker liegen die aerologischen Messungen vor mit den einander zugeordneten Werten: Druck,
Temperatur, Feuchte. Aus diesen Messungen lassen sich synoptisch ohne weiteres isobare Temperatürfelder
1 V. Bjerknes, Meteorolog. Zeitschr. 1900, S. 97 und 145, sowie 1902, S. 97.