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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
das ihm wie gezeigt tributär ist. Jedenfalls erscheinen die Zusammenhänge zwischen dem östlichen Eismeer und
der Grönlandsee, wenn überhaupt direkte existieren, wesentlich komplizierter. Es vereinigen sich lokale Erschei
nungen, hydrographische jetztzeitliche Einflüsse mit den Nachwirkungen einige Jahre zurückliegender Vorgänge
in anderen Erdgebieten im Sinne von Wieses Feststellungen. So gilt es nicht allein, jenen Nachwirkungen nach
zuspüren, sondern in gleicher Weise auch die aktuellen Verhältnisse des Golf Stromes rückzuverfolgen und hier den
gleichen Zusammenhang zu suchen, w r ie er angenähert zwischen der Wintertemperatur Mitteleuropas, der Ver
eisung bei Island und der Temperatur Nordsibiriens 414 Jahre zuvor gefunden wurde. Dann wird auch gerade für
die Vereisung der Barentssee, für die der Nordkapzweig des Golfstromes nachweislich von unmittelbarer Bedeu
tung ist, ein wichtiger Steuerungsfaktor gefunden sein.
Diesen Fragen nachzugehen würde den Rahmen der Arbeit wesentlich überschreiten und von dem unmittel
baren Thema zu sehr wegführen. Es kann hier nur auf die in diese Richtung weisenden Arbeiten von J. W. Sand
ström, Scherhag, Meinardus, Bergsten, Bergeron und verschiedene andere verwiesen werden.
XV. Zusammenfassung.
Der Weg der vorliegenden Untersuchungen führte von der Besprechung der einzelnen Eisbeobachtungs
reihen zu einer synthetischen Betrachtung über die einzelnen Vereisungsräume, nachdem auch die Faktoren einer
Behandlung unterzogen wurden. Zum Schluß seien in einem zusammenfassenden Überblick die wesentlichen Grund
züge der Vereisung des gesamten Arbeitsgebietes herausgeschält.
Der Finnische Meerbusen vereinigt auf seinem Raume größere Gegensätze hinsichtlich der Vereisung als
der Bottnische Busen, obwohl jener wesentlich langgestreckter und mehr gegliedert ist. Seine westöstliche Er
streckung verschafft ihm nicht nur den direkten Einfluß der Kaltluft aus dem kontinentaleuropäischen Kaltluft
hoch, in das er tief vorstößt, sondern sichert ihm auch den unmittelbaren Austausch mit den Wassermassen der
Gotlandmulde, also zum zentralen Ostseebecken, wo die größte Wärmemenge der Ostsee gespeichert ist. Infolge
eines, wenn auch schwach ausgeprägten, Strömungssystems macht sich dieser west-östliche Gegensatz, der sowohl
hydrographisch wie klimatisch in gleicher Weise ausgebildet ist, dergestalt bemerkbar, daß sich die eishinderlichen
Faktoren entlang der nordwestlichen Küste Estlands am stärksten geltend machen, die eisbegünstigenden dagegen
entlang der nordöstlichen. Die Dauer der Vereisung nimmt daher von Südwesten nach Nordosten zu, jedoch so,
daß östlich des Meridians der Insel Hogland das südwest—nordost gerichtete Intensitätsgefälle einem rein west—
östlichen weicht. Leningrad und Wiborg stehen sich hinsichtlich Dauer und Intensität der Vereisung wenig nach,
wohl aber z. B. Helsinki und Reval.
Erst wenn die Treibeisbildung, also nach Ausbildung des Festeissaumes an den Küsten, beginnt, macht
sich die besondere Ungunst der nördlichen und nordöstlichen Gewässer geltend. Das trifft etwa um die Jahres
wende ein, meistens sogar noch etwas später. Dieses Durchschnittsverhalten wird in charakteristischer Weise
unterbrochen, wenn stärkere südliche oder nördliche Winde herrschen. Dann pendelt das Treibeis in seiner ganzen
Breite zwischen den beiderseitigen Küsten hin und her, oft für die Eisfischer Lebensgefahr mit sich bringend, wenn
sich die seewärtigen, zusammengefrorenen Schollen von dem Küstenfesteis lösen und abtreiben. In solchen Fällen
tritt eine Blockierung der estnischen Küste ein, die sich jedoch von Norden her gerechnet nur etwa bis zu den vor
gelagerten Schären bemerkbar macht. Da im Winter vorwiegend südliche bis südöstliche Winde wehen, ergibt sich
daraus im allgemeinen eine besondere Benachteiligung der finnischen Küste, die sich im Frühjahr verstärkt. Das
Eistreiben bereitet der Schiffahrt den größten Widerstand, deshalb wird im Frühjahr mit Eisbrecherhilfe oft der
Weg innerhalb der Schären zu den östlicheren Häfen benutzt.
Das Eisgebiet des östlichen Finnischen Meerbusens erinnert sehr an die Eisverhältnisse der Bottenwiek,
obwohl es später vereist. Das Eis häuft sich jedoch auch hier im Hochwinter stark an und ist an der Abdrift
gehindert. Die Ähnlichkeit mit der Bottenwiek macht sich ferner deutlich auch in der Enteisungszeit geltend.
Die Eisschmelze führt oft zuerst entlang der Küste zu endgültig offenem Wasser, während im Seegebiet noch
lange Treibeisreste umherschwimmen. Die Verspätung der Enteisung beruht aber hier z. T. auf ganz anderen
Voraussetzungen. Hierbei spielt auch der Ladoga See eine Rolle. Er steht mit dem Finnenbusen durch die
mächtige Newa in kurzer Verbindung. Da seine Eisverhältnisse extremer sind und spätere Enteisung im Durch
schnitt aufweisen, weil er noch tiefer im Bereich des kontinentalen Kaltluftregimes steckt, verlängert er durch die
Eisdrift auf der Newa auch die Vereisung der Reede von Kronstadt.
Die Eisverhältnisse bei Hogland entwickeln sich im Laufe des Hochwinters zu einer effektiven Eissperre
von ganz ähnlicher Funktion wie im Nordkvark. Hier liegt das räumliche Kulminationszentrum der Eisverhält
nisse des gesamten Arbeitsgebietes, durchaus nicht in dem östlich davon befindlichen ruhigen Festeis, das
schiffahrtstechnisch als weniger schwer anzusehen ist. Das Eisgebiet von Hogland-Lavensaari versperrt wie ein