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Full text: 58, 1938

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3 
nicht schwer und kann leicht von Eisbrechern bezwungen werden, jedoch bieten sich hier öfter Schwierigkeiten 
durch Eistreiben, das aus den stärker vereisenden Seegebieten östlich von Hangö stammt. Damit besitzt die sonst 
wenig gehinderte Schiffahrt nach Hangö ein Unsicherheitsmoment, das naturgemäß auf die zweite Hälfte des 
Winters, insbesondere auf die Zeit der Enteisung selbst, beschränkt ist 1 . 
Weiterhin sind hinsichtlich der Schiffahrt besonders die Häfen der Westküsten, die frei gegen die Ostsee 
liegen, begünstigt, z. B. Libau und Windau, ferner auch die kleinen Häfen der Inseln Ösel und Dagö, letztere besitzen 
jedoch keine große Bedeutung. 
Die übrigen großen Häfen besitzen infolge ihrer Lage größere Nachteile durch die Vereisung. Riga weist, 
wie festgestellt wurde, zwar im Hafengebiet eine relativ geringe Vereisung mit leicht zu forcierenden Eisarten 
auf, jedoch wird dieser Vorteil illusorisch wegen des weiten Weges durch den Rigaischen Meerbusen. Während 
sich in der ersten Hälfte des Winters kaum Schwierigkeiten ergeben, treten sie in der zweiten Hälfte um so 
empfindlicher in Erscheinung. Der nordöstliche Rigabusen bildet sodann ein Eisreservoir, von dem aus auch die 
nordwestlichen Teile Treibeis erhalten, das schon in normalen Wintern bei Domesnäs—Zerel zu schwerem Eis 
treiben führen kann. Der Rigabusen füllt sich zu dieser Zeit relativ rasch mit Treibeis auf, das infolge der 
großen Abgeschlossenheit des Busens durch die Winde hin und her getrieben und gepackt wird, aber von dem 
an sich schwachen ausgehenden Strom nur zögernd in die Ostsee befördert wird. Zudem ist die hydrographische Be 
günstigung durch einkommendes Ostseewasser durchaus nicht so nachhaltig, daß dadurch die Eisbedeckung von Nord 
osten her aufgehalten würde. Der Weg für die Eisbrecher ist also im Rigabusen in der Regel weit, das bedeutet 
jedoch eine ganz empfindliche Belastung für die Schiffahrt. Nach eigenen Beobachtungen zu urteilen, kann bei 
normalen Eisverhältnissen ein starker Eisbrecher einen Konvoi von fünf kleineren Dampfern innerhalb eines 
Tages etwa 40 km weit geleiten. Diese Grenze verringert sich aber sofort bei starkem W inddruck auf das Eis und 
bei stark gepacktem Eis. So darf bei allem Nutzen der Eisbrecherhilfe nicht übersehen werden, daß es ein Not 
behelf ist, der einen außerordentlichen Aufwand an Zeit erfordert. Freilich fällt dies insofern nicht allzu sehr 
ins Gewicht, als ja die Schiffslasten in der Regel keine leicht verderblichen Güter darstellen. 
Am ungünstigsten von allen Häfen des Rigabusens sind die des Nordostwinkels gestellt, Haynasch und 
Pernau. Während sich bei Haynasch zwar die Vereisung erst später einstellt als bei Pernau, so ist sie aber wegen 
des häufigen Auftretens intensiv geschraubten Eises um so wirksamer und legt den Schiffsverkehr lahm. Pernau 
ist sowohl durch die örtliche, sehr früh einsetzende Eisbildung (Festeis) wie auch durch die umfassende Ver 
eisung des ganzen davorgelagerten nordöstlichen Rigaischen Meerbusens stark behindert. Ganz ähnlich ist die 
Lage für Hapsal, das nicht nur in einem kontinental beeinflußten Festeisgebiet mit frühem Eisbeginn liegt, 
sondern auch noch den weiten Anmarsch durch die rasch und intensiv vereisenden Seegebiete des Inselschelfes hat. 
Hungerburg, der Vorhafen von Narwa, leidet als erste estnische Station von Westen her unter dem starken 
Eis des östlichen Finnischen Meerbusens, das sich schließlich am ungünstigsten für Leningrad im innersten Winkel 
auswirkt. Für Leningrad ist der Eisweg von allen Häfen am weitesten (Abb. 62). Selbst das unter ähnlichen 
Verhältnissen vereisende Wiborg hat einen wesentlich kürzeren Weg durch das Eis bis zum mittleren Finnischen 
Meerbusen. Der östlichste Teil der Reede von Kronstadt zeigt festes Eis, das sich unter relativ ruhigen Verhält 
nissen bildet und die Fahrrinne des Eisbrechers am besten hält. Es bietet dem Eisbrecher einen normalen Wider 
stand. Die Schwierigkeiten der Durchfahrt beginnen für Schiffe, die aus Leningrad kommen, westlich von Kron 
stadt, wo die unruhigen Eisarten einsetzen. Packeis bildet sich zwischen Hogland und Kronstadt und gerät nur 
selten in treibende Bewegung. Die vorherrschenden südlichen Winde des Winters bieten auch keinen Anlaß zu 
einer Abdrift. Die Packeiswälle können so beträchtliche Größe erreichen, daß sie selbst für einen Eisbrecher von 
ca. 10 000 PS beachtliche Hindernisse erreichen, wenngleich die starken russischen Eisbrecher ihnen noch ge 
wachsen sein sollen. Ein Nutzen der Tatsache, daß ein Eisbrecher einen Packeiswall forcieren kann, ist damit 
jedoch noch keineswegs für die nachfolgenden Schiffe gegeben. Die Fahrrinne kann sich selbst bei geringem 
Winddruck bei der ungeheuren Angriffsfläche für den Wind, die ja bei Packeis seiner Oberflächengestalt wegen 
am größten ist, nicht halten und zwängt die nachfolgenden Schiffe relativ oft ein. Ein Schleppen ist natürlich 
immer möglich, geht jedoch ebenfalls sehr langsam vonstatten und ermöglicht immer nur einem Schiff das Folgen. 
Am günstigsten gestaltet sich noch der Fahrweg auf südlicherem Kurse, so daß Hogland nördlich bleibt. Auf 
dieser Route werden die günstigen Fahrwässer vor der nordestnischen Küste am schnellsten erreicht, die etwa 
auf dem Meridian von Hungerburg beginnen. Der Eisgürtel, der zwischen Hogland und der finnischen sowie 
estnischen Küste die Bucht von Kronstadt sperrt, löst sich auch erst relativ spät. Er bildet das Zentrum der Eis 
1 Das wassergetränkte, schmelzende Frühjahrstreibeis bildet zufolge seiner unscheinbaren, wassergrauen Farbe besonders 
nachts vielfach die Ursache ganz unverhoffter Eisschwierigkeiten.
	        
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