Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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3. Das Schärenmeer.
Das Schärenmeer umfaßt die flachen, schärenreichen Gewässer zwischen den Äland-Inseln und dem Festland
von Finnland. Westlich von Hangö stößt es also an das Eisgebiet II an. Eine ausführlichere Darstellung dieses
Eisgebietes wurde in Lit. Nr. 31, S. 45/46, gegeben.
Gegenüber den Gewässern bei Hangö zeigt der anschließende Teil des Schärenmeeres bereits eine längere
Eisdauer. Die Eisdecke erreicht zwar keine allzu großen Stärkewerte, weil die Fröste hier nahe der Südwestecke
Finnlands nicht mehr so streng sind, aber die geringeren Frosttemperaturen genügen bereits, um in dem flachen und
geschützten Küstengewässer eine Eisdecke entstehen zu lassen. Die Eisbildung setzt in den innersten Buchten daher
schon um die Monatswende November—Dezember ein und schreitet in gleichmäßigem Tempo nach Südwesten vor.
Umgekehrt beginnt die Enteisung in den der Ostsee nächsten Teilen schon Ende März—Anfang April, erreicht
aber die innersten Buchten nicht vor Ende April. Im großen und ganzen ist das Eisgebiet durch einen regelmäßigen
Vereisungsgang ausgezeichnet.
Die südöstlichen Teile werden noch gelegentlich durch das aus dem Finnischen Meerbusen stammende
Treibeis beeinflußt, worauf die Notiz Lit. Nr. 78, 1933/34, S. 44 hinweist: „Pä Skiftet fanns visserligen ännu
spridd drivis, som dock — ätminstone tili största delen — inträngd i Skärgärdshavet frän Finska vikens mynning
under isens drift mot väster.“
4. Die Nordküste Estlands.
Die estländische Nordküste ist zwar hier als ein Eisgebiet zusammengefaßt worden, sie besitzt aber in
sich doch etliche Unterschiede in der Vereisung. Zunächst ist der unmittelbare Küstenbereich zu scheiden von dem
Seegebiet, sodann muß in der West—Ostrichtung eine Abstufung vorgenommen werden. Es handelt sich also um
mehrere Untergebiete, die einzeln als selbständige Eisgebiete zu führen den Rahmen der vorliegenden Arbeit über
schritten hätte.
Im Küstenbereich findet Festeisbildung in den Buchten statt, sie tritt jedoch erst relativ spät auf und reicht
nicht weit seewärts. Etwa im Januar beginnt die Festeisbildung. Im Osten etwas früher als im Westen. Die
äußersten Grenzen des Streifens sind die Insel Odinsholm im Westen und etwa die Bucht von Kunda im Osten.
Der Übergang in das Eisgebiet I bei Hungerburg findet ziemlich allmählich statt. Die Eisbildung bleibt während
des Hochwinters ebenfalls gering, der Küsteneissaum verändert seine Lage wenig.
Im Seegebiet tritt zwar allwinterlich Treibeis auf, jedoch nimmt es, außer im Osten, keine schweren Formen
an. Es kann bei Eistreiben gelegentlich zu einer Stauung an den Inseln vor der estnischen Küste kommen, die zeit
weilig die Fahrwässer zwischen der Insel und der Küste sperrt. Dies tritt zwischen den Inseln Nargö und Kokskär
häufiger ein. Für die Schiffahrt nach Reval ist diese Stelle jedoch nicht so bedeutungsvoll. Die Fahrwässer
nach Reval sind meist das ganze Jahr über leicht befahrbar. Im Hochwinter und Frühjahr tritt im Seegebiet bis
nach Odinsholm hin Treibeis auf, das jedoch in der südlichen Hälfte des Finnischen Meerbusens nur ganz aus
nahmsweise, bei hartnäckigen Nordwinden, schwere Eisverhältnisse entstehen läßt. Dann treibt das normalerweise
vor der finnischen Küste westwärts strömende Eis hinüber nach der estnischen Küste.
In der Regel sind jedoch bei Reval außerordentlich günstige Eisverhältnisse zu erwarten, die sich deutlich
in dem Diagramm zeigen. Selbst wenn in strengen Wintern die Revaler Bucht Festeisbildung aufweisen sollte,
ist es mit Hilfe von Eisbrechern leicht möglich, die Schiffahrt aufrechtzuerhalten. Der Eisweg ist in keinem Falle
besonders lang oder schwierig (vgl. auch Abb. 63).
Selbst in dem eisreichen Winter 1928/29, in dem der Finnische Meerbusen bis zu seiner Mündung großen
teils sogar mit starkem Festeis bedeckt war, erhielt sich doch noch lange von Reval bis nördlich Odinsholm vor
bei ein Streifen offenen Wassers, das sich nur kurze Zeit im März mit schwerem Treibeis bedeckte. Dieser Winter
ist jedoch als Ausnahmewinter anzusprechen, ebenso der von 1925/26 bei ganz ähnlichen Eisverhältnissen. Die
Enteisung erfolgt in diesem Gebiet an der Küste Ende März-—Mitte April, seewärts tritt sporadisch je nach der
Windrichtung noch später mitunter leichtes Treibeis auf, das jedoch praktisch kein Hindernis bildet.
Die Grenze zwischen dem westlichen Teil und dem östlichen des Eisgebietes IV verläuft etwa bei Kokskär.
Die östlicheren Buchten zeigen eine intensivere Eisbildung, jedoch ist auch hier noch das Seegebiet relativ begün
stigt, so daß die Schiffahrtstraße nach Leningrad den südlicheren Weg wählt. Im Seegebiet ist Treibeis bei weitem
vorherrschend, nur an den Inseln bildet sich, jedoch ziemlich spät erst, meist erst im Januar, ein Küsteneissaum,
dessen Eisdecke dauernd Veränderungen durch Abbruch erleidet.