Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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kere Eisbildung anzeigen. Das würde mit anderen Worten heißen, daß der Küstenstreifen bei Reval außerordentlich
schmal ist, und daß sich im Bereich des Fahrwassers bereits der Yereisungstyp der peripher, seewärts gelegenen Ge
biete äußert. Die letzte Eiswahrscheinlichkeit tritt noch in der ersten Maidekade auf. Demgegenüber setzt die Wahr
scheinlichkeit für Eisbildung bei dem zweiten Streifen des Eisgebietes, der die Inseln umfaßt, wesentlich später
ein, erreicht aber die gleiche Höhe während der Zeit des Maximums. Die Enteisung zeigt einen zeitlichen Unter
schied zwischen den östlichen und den westlichen Teilen des Gesamteisgebietes, indem sie im Osten später beendet
ist als im Westen, eine Erscheinung, die für die finnische Seite nicht galt. Auch die Intensität der Vereisung,
also die Höhe der Eiswahrscheinlichkeit im Hochwinter, zeigt die gleiche Minderung von Osten nach Westen.
Das folgende Eisgebiet umfaßt den Küstensaum der Inseln Dagö und Ösel mit Ausnahme der inneren
Küsten, auch die Landzunge Zerel im Süden von Ösel muß ihres abweichenden Vereisungscharakters wegen trotz
äußerlich gleicher Eiswahrscheinlichkeitstendenz ausgeschaltet werden. Wie bei dem baltisch beeinflußten Verlauf
der Vereisung nicht anders erwartet werden kann, beginnt die Wahrscheinlichkeit für Eisbildung bei den hierzu
gehörigen Stationen erst sehr spät. Die Möglichkeit des gänzlichen Fehlens von Eis in einzelnen Wintern ist größer,
was sich in den niedrigeren Zahlen für die Zeit des Hochwinters gegenüber den anderen Eisgebieten zu erkennen
gibt. Zu diesem Eisgebiet sind der Tabelle nach die folgenden Stationen zu rechnen: Tahkona, Dagerort-Ristna,
Köpu und Filsand. Als weiteres Charakteristikum dieser Gruppe kann die frühe Enteisung angeführt werden. In
keinem Falle reicht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Eis noch in den März hinein, im Gegenteil, sie ist
schon in der letzten Aprildekade so klein, daß auch bei größerem Zeitraum kaum eine Ausdehnung der Wahr
scheinlichkeitsperiode bis in den Mai hinein erwartet werden kann.
Als weiteres großes Eisgebiet sind die inneren Gewässer zwischen den Inseln Dagö und Ösel und dem Fest
land sowie dem Rigaischen Meerbusen zusammenzufassen. Ein kleines Gebiet unmittelbar unter der Küste bei
Hapsal muß für sich genommen werden. Die flachen Seegebiete des Moonsund östlich von Dagö, um Worms
(Vormsi), zwischen Dagö und Ösel, um Moon, südlich von Ösel zeigen einen ganz ähnlichen Verlauf. Alle Stationen
in ihrem Bereich besitzen einen frühen Eisbeginn. Die Eiswahrscheinlichkeit setzt bereits Mitte November ein,
erreicht mindestens während eines Monats den Höchstwert, der möglich ist und verschwindet erst Mitte Mai. Im
einzelnen spielen lokal bedingte Unterschiede noch eine Rolle, die jedoch an anderer Stelle besprochen werden.
Zu dem Gebiet gehören die folgenden Stationen: Worms (N und S), Emmaste, Löötsa, Paternoster (Viirilaid),
Kübassaar und Abruka.
Die Sonderstellung von Hapsal beruht in einer früher einsetzenden Eiswahrscheinlichkeit, die bereits An
fang November beginnt, im Dezember ein vorläufiges Maximum erreicht und erst Ende Februar bis Anfang April
den Höchstwert aufweist. Die Enteisung erfolgt jedoch nicht später als im benachbarten Eisgebiet. Den gleichen
Charakter weist die Vereisung von Pernau (Pärnu) auf, das somit, obwohl räumlich von Hapsal getrennt, zum
gleichen Eisgebiet gerechnet werden muß. Die Kontinentalität prägt sich bei Pernau eher noch stärker aus, jedoch
ist kein vorläufiges Maximum erkennbar. Wenn dieser Unterschied nicht als ausreichend für eine getrennte Behand
lung der beiden Eisgebiete erachtet wurde, so deshalb, weil es nicht erwiesen ist, ob eine längere' Jahresreihe nicht
die bei Hapsal festgestellte Unregelmäßigkeit wieder ausgleichen würde.
Das Eisgebiet des nordöstlichen Rigaischen Meerbusens muß als Sondergebiet ausgeschieden werden, obwohl
wir nur spärliche Beobachtungen davon besitzen. Ausschlaggebend hierfür sind die Stationen Haynasch (Ainalsi)
und Kynö (Kihnu). Die Vereisung scheint früh zu beginnen, jedoch zeigt das Zahlenmaterial von Haynasch dies
nicht. Haynasch liegt wohl schon randlich zu den südlichen Teilen des Rigaischen Meerbusens. Da jedoch die Be
schaffenheit der Vereisung bei Haynasch eindeutig mit Verhältnissen übereinstimmt, wie sie sonst nur im nordöst
lichen Teil des Golfes angetroffen werden, habe ich diese Station hinzugerechnet. Kynö zeigt bereits Anfang Novem
ber Eiswahrscheinlichkeit, wenn auch erst in geringem Umfange. Ende Februar bis Ende März wird der Höchstwert
erreicht, und die letzte Wahrscheinlichkeit für Eis tritt Mitte Mai auf. Hierin besteht Übereinstimmung mit
Haynasch.
Das mittlere und südliche Seegebiet des Rigaischen Meerbusens gehört einem Eisgebiet an, das durch die
Stationen Runö (Ruhnu), Riga Hafen und Riga See gekennzeichnet wird. Es ist durch eine späte Vereisungs
wahrscheinlichkeit charakterisiert, die erst Ende Dezember einsetzt und auch nicht den höchsten Wert zur Zeit des
Hochwinters erreicht. Die Enteisung dagegen vollzieht sich wenig früher als im vorhergehenden Eisgebiet, beson
ders auf den seewärtigeren Teilen, wogegen die Küstengebiete eher eisfrei zu werden scheinen (vgl. den Unterschied
zwischen Riga Hafen und Riga See).
Eine besondere Umgrenzung als Eisgebiet erfordert die Pforte des Rigaischen Meerbusens, über deren Eis
verhältnisse wir ziemlich gut unterrichtet sind. Die Stationen Domesnäs (Kolkasrags) (SW, NW, NO, SO), Zerel
(Sörve) Rigabusen und Zerel Westsee gehören hierzu. Die Zusammenfassung erfolgte nicht aus Gründen gleicher